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Durch dick und dünn: 3 Erkenntnisse zur Freundschaft

 

Am 30. Juli ist Tag der Freundschaft. Zeit, sich Gedanken zum Thema zu machen. Eine Spurensuche – bei mir selbst und bei anderen.

Ich habe zwei sehr alte Freundschaften. Unterschiedlich sind wir – und irgendwie auch nicht. Die Lebenslustige mit dem ansteckenden Lachen, die Ehrgeizige mit dem trockenen Humor und die stille Schöne mit der scheinbar endlosen Geduld. Ich war immer die Getriebene, die, immer befürchtete, hinter der nächsten Kurve ein Wunder zu verpassen. Meine Kindergartenfreundin die Bodenständige, die stets wusste, wo sie hingehörte. Die Dritte im Bunde wurde bisweilen vom Schicksal zu ihrem Glück gezwungen. Heute haben wir alle Kinder, Ehemänner, einen soliden Beruf und ein Häuschen. Die Unterschiede haben sich nivelliert.

Lange Zeit habe ich nicht gewusst, welche Freundschaften ich da führe. Sie waren halt immer da. Wir haben viel Mist zusammengebaut. Gemeinsam gekokelt. Ein Loch im Teppich und eine brennende Bierkiste waren die Folge. Blaue Gummibärchen in Mengen verdrückt – als Strafe für diejenige, der einen Kniffel geworfen hat. Beim Badminton die Bänder gerissen. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke. Vieles schreibe ich gar nicht erst auf. Das geht nur uns etwas an.

Freundschaft muss nicht ständig bestätigt werden.

Ich habe die Freundschaft auch strapaziert. In der Pubertät zum Beispiel. Durch emotionale Eskapaden. Durch viel Schweigen anstelle von klaren Worten. Durch „Fremdgehen“ mit anderen Freundinnen. Durch das Eintauchen in komplett neue Welten – im Studium, im Ausland, auf der Arbeit. Und doch war die Freundschaft immer da.

Zum ersten Mal habe ich das so richtig in der siebten Klasse erlebt. Da hätte ich mich eigentlich im freien Fall befinden müssen. Fallen gelassen von einer sogenannten „Freundin“. Ich bin aber eher dahingesegelt wie die Feder im Intro von Forrest Gump. Denn da standen zwei im Hintergrund, die mich einfach aufgefangen haben. Still und unglaublich selbstverständlich mit den lapidaren Worten „wir lassen dich doch da nicht allein hocken“.

Seither weiß ich: Freundschaft ist etwas Stilles. Etwas, das sich nicht im dauerhaften Wortschwall per Telefon oder WhatsApp zeigt. Etwas, das nicht ständig bestätigt werden muss.

Freundschaft ist, wenn ein Mensch dich von all deinen Seiten kennt und dich trotzdem mag.

Auf manche Punkte unserer Freundschaft blicke ich auch mit Reue zurück und denke „das würde ich gerne rückgängig machen“. Ich glaube, ich habe keine anderen Menschen in ihrer Freundschaft zu mir so strapaziert wie diesen beiden. Auch wenn es mir rückblickend genau um diese Verletzungen leid tut. Aber genau hier zeigt sich die Qualität dieser beiden Freundschaften. Diese Loyalität. Dieser Rückhalt. Hier hat sich niemand zurückgezogen, als ich schroff und unzugänglich wurde oder gar der schöne Schein fiel. Hier wurde nie mit Kündigung gedroht. Hier wurde gekämpft, als die Sache auf der Kippe stand.

Freundschaft bedeutet nicht Unzertrennlichkeit, sondern getrennt sein zu können, ohne dass sich etwas ändert.

Sicherlich gibt es Freundinnen, zu denen ich heute mehr Kontakt habe. Mit denen mich auch mehr Alltäglichkeiten – der Kindergarten, die Arbeit, der Sportverein – verbinden. Mit Kindern und Ehemännern an drei unterschiedlichen Orten bleibt nicht mehr viel Zeit für die alltägliche Freundschaft. Bisweilen bedaure ich das sehr. Aber letztlich macht es nicht. Neulich haben wir uns wieder getroffen. Nach anderthalb Jahren das erste Mal. Auf der Mitte – irgendeine Dorfkaschemme an der A4. Die Kneipe ging gar nicht – der Abend war trotzdem der Knaller.

Das waren meine Gedanken zum Thema Freundschaft. Wie leben andere ihre Kameradschaft? Ich habe zwei Freundschaftspärchen getroffen.

Bärbel (63) & Evelyn (66)

Bärbel und Evelyn

 


Die Freundschaft begann so, wie wahrscheinlich viele Freundschaften beginnen: Anfang 20 saßen die beiden in der Abendschule nebeneinander, haben sich auf Anhieb super verstanden, viel gequatscht und unternommen. „Ich hatte das Gefühl, das wir uns schon ewig kennen“, erinnert sich Evelyn. „Wir konnten über die gleichen Dinge lachen, fanden die gleichen Menschen doof oder toll“, so Bärbel.

Als Evelyn aus familiären Gründen das letzte Jahr der Schule pausieren musste, beschloss die Freundin: Ich mache einfach ein Jahr noch etwas anderes und wir beginnen das Studium zusammen! Nicht bloß an derselben Uni, es musste auch dasselbe Fach sein. Beide interessierten sich für die Natur und Gärten – und so fiel die Wahl auf Landschaftsarchitektur.

Bärbel und Evelyn heuteNach dem Studium nahmen die beiden exakt am selben Tag die Arbeit auf, wurden allerdings zum ersten Mal getrennt. Viele Telefonate und Treffen am Abend haben die Distanz wieder aufgewogen. In dieser Zeit sind die beiden auch in die Deutsche Gesellschaft für Garten- und Landesarchitektur eingetreten. Als dort ein Schatzmeister gesucht wurde, meldeten sich Bärbel und Evelyn sofort – unter einer Bedingung: „Das machen wir nur zusammen!“

In 40 Jahren gab es keinen echten Streit, nur mal Unstimmigkeiten, die schnell aus der Welt geschafft wurden. „Wenn wir uns etwas zu sagen hatten, haben wir es offen angesprochen“, sagt Bärbel. Heute teilen sie nach wie vor viele Interessen, Bärbel ist Patentante von Evelyns Sohn und bei vielen Treffen mit den Verwandten dabei. Evelyn: „Sie gehört einfach zur Familie!“

„Bärbel und ich sind immer ehrlich zueinander und machen uns nix vor. Wir kennen die Schwächen des anderen und nehmen ihn so wie er ist.” – Evelyn (rechts)

 

„Mit Evelyn ist alles so schön unkompliziert. Auf der einen Seite sind wir uns ähnlich, auf der anderen Seite ergänzen wir uns gut. Vor allem haben wir uns nie verglichen oder dem anderen etwas geneidet.“ – Bärbel (links)

 Imi (85) und Ossi (90)

Ossi und Imi 2

 „Was für eine nette, hübsche junge Frau im Petticoat“, dachte sich Ossi, als er Imi 1975 bei der Arbeit im Innenministerium zum ersten Mal sah. „Das ist also der Ossi, der so gut singen soll“, ging der Kollegin Imi durch den Kopf. Schnell entdeckten die beiden, dass sie die Liebe zur Musik verbindet und gründeten einen Singkreis unter Kollegen. Imi mit klarer Frauenstimme vorweg, Ossi Background (Ossi singt ebenso mit) am Akkordeon und Klavier. Als lustiges Duo treten sie bis heute auch ehrenamtlich auf und brachten etwas Schwung und Freude in Seniorenheime und andere Einrichtungen.

Ossi und ImiBald intensiviert sich die Freundschaft: Sie sehen sich dreimal die Woche, treten in den Kegelclub ein, gehen gemeinsam auf Reisen. Als Ossi 1994 den sechsjährigen Mirko, der seine Eltern verloren hatte, bei sich aufnimmt, freundet sich auch Imi schnell mit ihm an. Trotzdem blieb die Verbindung stets platonisch, Ossi hat gerade diamantene Hochzeit gefeiert, Imi war verheiratet.  An eine Anekdote erinnern sich beide noch besonders lebhaft. Ossi: „Wir waren zu viert mit dem Enkel in Urlaub und machten eine Pause. Als ich wieder losfuhr, fragte Mirko: Wo ist eigentlich Imi?“ Lachend meint Imi: „Sie hatten mich an der Raststätte vergessen!“

41 Jahre sind die beiden nun schon ein Herz und eine Seele, was ist das Geheimnis der langen Freundschaft? Ossi ist überzeugt: „Sprüche wie `Hättest du das doch so und so gemacht!` sollte man vermeiden. Eine belehrende Art ist nie gut!” Imi hat den Tipp: „Man darf sich selbst einfach nicht so ernst nehmen!“

„Ich schätze ihre unglaubliche Geduld. Aber ich mag nicht, wenn sie geht. Alleine ist es nicht schön.“ – Ossi

 

„Er hat Macken wie jeder  – ist vielleicht etwas ungeduldig. Allgemein ist er aber so toll, dass wir ihm alle wünschen, die 100 auf jeden Fall voll zu machen!“ – Imi

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