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Wie man Mikroplastik aus dem Wasser filtert

 

Wir leben in einer Welt voller Plastik, das sich im Laufe der Zeit in seine Bestandteile zersetzt. Von kleinen und kleinsten Plastikteilchen werden vor allem Gewässer und Meere überflutet. Das Mikroplastik gelangt auch auf die Felder und in die Luft. Das hat Folgen – für Mensch und Umwelt. Nun wurde ein neues Verfahren vorgestellt, mit dem man Mikroplastik aus dem Wasser herausfiltern kann. Wir erklären, wie es funktioniert und was es leisten kann.

Plastik, wie es heute verwendet wird, hat seinen Boom ab den 1950er-Jahren erlebt und ist seitdem fester Bestandteil des modernen Lebens geworden. Das Problem: Die allermeisten Kunststoffe lösen sich nicht vollständig auf, sondern zerfallen in kleinste Teilchen, die nach Größe unterschiedlich bezeichnet werden.

Strand mit PlastikmüllWie klein ist Mikroplastik?

Plastikpartikel werden nach drei Größen unterschieden:

  • Makroplastik: über 5 Millimeter Größe
  • Mikroplastik: unter 5 Millimeter Größe bis zum Mikrometer-Bereich (1 Mikrometer = 1 Tausendstel-Millimeter)
  • Nanoplastik: unter 100 Nanometer (1 Nanometer = 1 Millionstel-Millimeter)

Nanoplastik ist dabei so winzig, dass es mit geläufigen Messverfahren standardmäßig nicht mehr zu erfassen ist. Größere Teilchen wie Makroplastik zersetzen sich immer weiter, werden zu Mikroplastik und später zu Nanoplastik. Die Forschung geht davon aus, dass es deshalb immer mehr Nanoplastik gibt, das sich über die Luft über das Land verteilt und eingeatmet wird.

Wie entsteht Mikroplastik und welche Unterschiede gibt es?

Man unterscheidet Mikroplastik nach seiner Herkunft und seinem Entstehungsprozess. Es gibt das sogenannte primäre und das sekundäre Mikroplastik.

  • Primäres Mikroplastik Typ A: bewusst z. B. Kosmetika zugesetzt, etwa bei Zahnpasta, Sonnen- und Gesichtscreme oder Lippenstift.
  • Primäres Mikroplastik Typ B: Entsteht bei Benutzung, z. B. in Form von Kleidungsfasern, die beim Waschen ins Abwasser gelangen oder beim Abrieb von Autoreifen, Schuhsohlen etc.
  • Sekundäres Mikroplastik: zersetzt sich aus größeren Einheiten.

Wie viel Mikroplastik nimmt der Mensch auf?

Man konnte Mikroplastik bereits im Verdauungstrakt von Fischen, Muscheln und Menschen nachweisen, auch in Salz und Honig. Dabei schätzt man, dass ein Mensch im weltweiten Durchschnitt etwa 2.000 Partikel Mikroplastik wöchentlich aufnimmt. Das entspricht etwa einem Gewicht von 5 Gramm und bedeutet eine jährliche Aufnahme von etwa einem halben Pfund Mikroplastik (= über 250 Gramm). Da das Thema Mikroplastik relativ neu ist, ist die Forschung zu seiner Gefährlichkeit noch nicht sehr weit.

Wie gefährlich ist Mikroplastik?

Wie man Mikroplastik aus dem Wasser filtertInwieweit sich Mikro- oder Nanoplastik im Körper einlagern, ist noch kaum erforscht. Dabei gibt etwas zu denken: Die Kunststoffmoleküle verbinden sich aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften leicht mit Pestiziden wie DDT. Oder mit dem hochgiftigen und krebserregenden PCB, einer Chlorverbindung, die man immer noch weltweit und flächendeckend als Umweltgift vorfindet, obwohl sie längst verboten wurde. Auch nahe Verwandte des PCB, die Dioxine, gehen Verbindungen mit Mikroplastik ein. Bestimmte Dioxine zählen zu den giftigsten Stoffen überhaupt, reichern sich im Körperfett des Menschen an und können Krebs auslösen. Ob und wie dies im Zusammenspiel mit Mikro-Kunststoffen der Fall ist, muss noch genauer erforscht werden.

Ein weiteres Problem stellen Plastik-Zusätze dar, die sogenannten Additive. Das sind vor allem Weichmacher oder Flamm-Schutzmittel, die sich nach Aufnahme des Mikroplastik durch den Organismus von Mensch und Tier leicht aufspalten und in Organen anreichern.

Versuche haben gezeigt: Kleinere Lebewesen wie Regenwürmer sterben dadurch oder ihre Fortpflanzung und ihr Wachstum sind beeinträchtigt. Mikroplastik steht zudem in Verdacht, Erregern Platz zu bieten und damit dazu beizutragen, Krankheiten zu verbreiten. Dazu wird aber ebenfalls noch geforscht.

Mikroplastik: Diese Reinigungsverfahren gibt es schon

Es gab bereits verschiedene Bestrebungen, dem Mikroplastik Herr zu werden.

  • Dazu zählen etwa neue Fasern in der Bekleidungsindustrie, die bakteriell abgebaut werden können und keine Schadstoffe hinterlassen.
  • Eine andere Lösung sind optimierte Filtersysteme, die Teilchen in der Industrieproduktion ausselektieren können,
  • oder ein chemischer Prozess, der Strom zu Hilfe nimmt und dabei eine sogenannte „elektrolytische Oxidation“ herbeiführt, bei der das Mikroplastik in CO2- und Wasser aufgespalten wird.

Kläranlagen können bisher das Abwasser nicht vom Mikroplastik befreien, da die meisten Teilchen zu klein sind.

Reinigung mit Kieselgel

PlastikmüllsäckeNun wurde ein neues Verfahren entwickelt, das zunächst in Kläranlagen und dann in kunststoffverarbeitenden Industrieanlagen getestet werden soll. Dabei wird dem Wasser ein umweltfreundliches Gel hinzugesetzt, das wie ein Partikel anziehender Kleber wirkt und die frei schwebenden Kunststoffteilchen zu größeren Strukturen verbindet.

Dafür muss das Wasser in eine kreisende Bewegung mit einem Strudel gebracht werden, in dem die Mikroplastikteilchen mit dem hinzugefügten Hybridkieselgel verklumpen. Dr. Katrin Schuhen und ihr Team von der gemeinnützigen Initiative „Wasser 3.0“ hat es im pfälzischen Landau in einem Testaufbau drei Jahre lang entwickelt. Das Ergebnis: Das Mikroplastik verbindet sich zu größeren Klumpen, in denen das Plastik gebunden ist. Diese können nun problemlos herausgefiltert werden.

Was ist Kieselgel?

Kieselgel hört sich nach einem natürlichen Stoff an, ist aber tatsächlich synthetisch hergestellt und seinerseits ein Kunststoff. Der große Unterschied zu herkömmlichen Kunststoffen ist, dass deren Bindungen auf Kohlenstoff basieren, die des Kieselgels auf Silizium. Kieselgel ist teils unter anderen Namen für verschiedene Einsatzzwecke weithin bekannt: Als Trocknungsmittel, das Feuchtigkeit absorbiert, oder als Dichtungsmasse „Silikon“. Seine zwei Haupteigenschaften: Es bindet leicht andere Stoffe und verklebt leicht.

Wie funktioniert Kieselgel als Mikroplastikfilter?

Kieselgel geht zunächst Bindung mit dem Wasser ein und wird dadurch für Kunststoffe zum Kleber, sprich: Das Hydrokieselgel, das eine Bindung mit dem Wasser eingegangen ist, wirkt auf kleine Kunststoffteilchen anziehend. So entstehen große Strukturen aus gebundenem Mikroplastik, die als Klumpen aus dem Wasser gefiltert und recycelt werden können.

Fazit: Ist die Filterung mit Kieselgel die Lösung?

Das Team von Dr. Katrin Schuhen hat mittlerweile sogar eine mobile Lösung geschaffen, bei der Wasser einen Container durchfließt, und dort vom Mikroplastik befreit wird. Sollte sich diese Innovation bewähren, wäre damit zusammen mit einer effizienten Müllvermeidung ein erster wichtiger Schritt getan. Inzwischen ist der Pilotversuch abgeschlossen und das Verfahren soll in weiteren Kläranlagen getestet werden.

Ob das Verfahren flächendeckend eingesetzt wird, muss sich zeigen. Noch hat die Politik keine verbindliche Gesetzgebung dazu angestoßen. Auf EU-Ebene gibt es erste Initiativen. Deshalb liegt es zurzeit noch bei den Kläranlagenbetreibern und Industriebetrieben, ob sie mikroplastikrelevante Filter überhaupt einbauen. Letztlich wird es nach dem gesetzgeberischen Rahmen dann um die Finanzierung gehen.

 

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3 Kommentare

Lilly

🙂

Ludwig Metzler

Danke, sehr ordentlich recherchiert und gebloggt. Ein guter Anfang wäre es, wenn viele Menschen das Problem erkennen und sich versuchen entsprechend zu schützen. Was kann ich als Einzelner tun, außer bei mir und meiner Familie selbst , um mich zu engagieren? Oder ist es so gewollt? Oder ?

Ludger

Gibt’s hierzu die Quellen? Würde mich interessieren.

Vielen Dank. 🙂

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