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Baustelle Bahnstadt

Auf Heidelbergs ehemaligem Güterbahnhof entsteht bis 2022 die größte Passivhaus-Siedlung der Welt. Das Wohn- und Energiesparprojekt sorgt für Aufsehen – hierzulande und international.

Zwei Kilometer trennen in Heidelberg Tradition und Moderne. Altstadt und Bahnstadt markieren hier Vergangenheit und Zukunft der Universitätsstadt. Als mondänes Gegengewicht zum historischen Zentrum und zur Entlastung des Wohnungsmarktes entsteht bis 2022 die neue Bahnstadt. Sie ist mit 116 Hektar – neben der Hamburger HafenCity – eines der größten innerstädtischen Entwicklungsprojekte. Die städtebauliche Rahmenplanung stammt von Trojan Trojan + Partner Architekten und Städtebauer und ging aus einem internationalen Realisierungswettbewerb im Jahr 2003 hervor. Rund 5.000 Bewohner sollen hier leben, etwa 7.000 Menschen werden hier arbeiten. Wohnen, Wissenschaft und Gewerbe werden in der Stadt von morgen eng verzahnt.

Stolze Zwischenbilanz

2.000 Bewohner und Hunderte neuer Arbeitsplätze weist die aktuelle Bilanz auf – Tendenz steigend. Der erste Bauabschnitt wurde im Sommer 2014 fertiggestellt, seitdem haben Bewohner, Unternehmen und erste Handelsbetriebe ihre neuen Quartiere bezogen. „Es ist schön zu sehen, wie gut der neue Stadtteil angenommen wird.“ freut sich Dr. Eckart Würzner, Oberbürgermeister von Heidelberg und so etwas wie das Gesicht der Bahnstadt. Was denn das Besondere an dieser Neubausiedlung sei, wird Würzner im In- und Ausland oft gefragt. „Unsere Bahnstadt“, antwortet er dann stolz, „wird die größte Passivhaus-Siedlung der Welt.“ Alle Gebäude sind so konstruiert, dass sie keine Emissionen verursachen, der Energiebedarf reduziert sich so um 50 bis 80 Prozent. Ein bunter Mix aus Familien, Studenten und Senioren lebt in den bereits fertiggestellten Miet- und Eigentumswohnungen sowie den Hochschul-Appartements. Eine spezielle Förderung ermöglicht es auch weniger Betuchten, von den Vorzügen eines Passivhauses zu profitieren. Wer den höchsten Punkt der Siedlung erklimmt, kann einen Ausblick in die energietechnische Vergangenheit werfen: „Da hinten sind die Kühltürme des Atomkraftwerks Philippsburg“, erklärt man dem Besucher, „und dort drüben die Schornsteine des Mannheimer Kohlekraftwerks.“ Für Bahnstadt-Bewohner sind das Energielieferanten von gestern – ein CO2-neutrales Biomasse-Holzheizkraftwerk erzeugt den Strom und die Restwärme, die die Passivhäuser benötigen.

Passive House Award 2014

Die Heidelberger Siedlung wurde bereits nach der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts mit dem Passive House Award 2014 ausgezeichnet, der vom Passivhaus Institut im Rahmen des europäischen Projekts PassREg (Passive House Regions with Renewable Energies) verliehen wird. „International gewinnt die Bahnstadt immer mehr an Beachtung und behauptet sich zusehends als eines der innovativsten Stadtentwicklungsprojekte unserer Zeit.“, erklärte Oberbürgermeister Würzner bei der offiziellen Enthüllung der Passive-House-Award-Plakette. Prof. Dr. Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts, ergänzt: „Höchste Energieeffizienz beim Bauen setzt sich in immer mehr Ländern durch. Ein ganzer Stadtteil im Passivhaus-Standard ist aber in dieser Form bisher einmalig. Die Stadt Heidelberg liefert damit gewissermaßen eine Blaupause für die Zukunft: Die Europäische Gebäuderichtlinie sieht vor, dass ab 2021 das sogenannte Nearly Zero Energy Building zur Regel wird – und mit dem Passivhaus-Standard erfüllt die Bahnstadt diese Anforderung schon heute.“

Innovative Leuchtturmprojekte

Heidelbergs OB ist Überzeugungstäter, Klimakompromisse sind mit ihm kaum zu machen. So bestanden er und sein Team darauf, dass auch der 12.000-Quadratmeter-Baumarkt am Rande der Bahnstadt in Passivhaus-Bauweise erstellt wird. Ein besonderes Wahrzeichen der neuen Siedlung ist das Büro- und Laborgebäude Skylabs – selbstverständlich ebenfalls im Passivhaus-Standard. Das Gebäude von Fischer Architekten wird mit seinem neungeschossigen Turm zum architektonischen Highlight der Siedlung. Aber auch technisch entspricht es den höchsten Anforderungen an die Energieeffizienz, wobei ein besonderer Fokus auf die Optimierung der Lüftungstechnik gelegt wurde, die bei Labornutzungen eine besonders große Rolle spielt. Die Gebäudehülle ist durch Bänder aus bodentiefen Fenstern geprägt, die auch im Winter viel Licht reinlassen. Im Sommer hingegen schützen auffällige und für das Erscheinungsbild des Gebäudes charakteristische Faltklappläden vor Hitze. Fein perforiert sorgen sie auch dafür, dass immer noch sanftes Licht hineinschimmert. So lässt sich die künstliche Beleuchtung des SkyLabs spürbar reduzieren. Im Maßstab sehr viel kleiner, aber nicht minder innovativ, ist die bereits fertiggestellte Kindertagesstätte an der Schwetzinger Terrasse. Die Kita und der angrenzende öffentliche Platz wurden von Behnisch Architekten gestaltet und sind besonders durch ihre ungewöhnlichen Formen gekennzeichnet.

Erfolgreicher Brückenschlag

Autos sind in der Bahnstadt in den Untergrund verbannt, Fußgänger und Radfahrer bestimmen die verkehrsberuhigte Szene. Sie sind es auch, die von der jüngsten Energieinnovation profitieren: Auf einer 3,5 Kilometer langen Strecke sorgen LED-Straßenleuchten für Licht. Ist niemand in Sicht, dimmen sich die Leuchten selbst auf etwa 30 Prozent der Lichtleistung. Sobald aber jemand vorbeikommt, werden die Lichter heller. Sind Radler oder Fußgänger wieder außer Reichweite, schaltet die Lichtleistung automatisch zurück in den Energiesparmodus. Sorge, dass in der Bahnstadt frühzeitig die Lichter ausgehen, hat kaum jemand. Die Nachfrage nach den Passivhaus-Wohnungen ist höher als das Angebot, der Mix aus Wohnen, Leben und Arbeiten findet viele Anhänger. „Das Konzept der Bahnstadt geht auf“, ist auch Oberbürgermeister Eckart Würzner überzeugt. Sogar die Trennung von Altstadt und Bahnstadt ist inzwischen – zumindest architektonisch – überwunden:

Vernetztes Wohnen 2030

Auch Vaillant befasst sich intensiv mit dem Thema „Wohnen in der Zukunft“. Das Unternehmen ist Teil des Innovationsnetzwerks Universal Home, einer Ideation-Plattform zu den Themen effiziente Nutzung von Energie, gewerkeübergreifende Produkte und neue Technologien für anspruchsvolle Nutzer. „Wir können hier im Verbund Produkte und Services entwerfen, die ein einzelner Hersteller allein nicht entwickeln kann“, so Udo Ermert, Senior Design Manager bei Vaillant und Gründungsmitglied von Universal Home. „Gegenwärtig ist Vaillant beispielsweise an einem Projekt zur intelligenten Vernetzung eines Heiz- und Speichersystems mit wärme-/ kälteverbrauchenden Geräten in einem Haushalt der Zukunft beteiligt.“