Es dreht sich was: Offshore-Windkraftnutzung auf Innovationskurs
Windcatcher & H2Mare – zwei spannende Offshore-Windkraft-Projekte, die neue Wege für Europas Energiewende erforschen. Wir stellen sie Euch vor!
Offshore-Windkraft ist fester Bestandteil der Energiewende in Europa. In der deutschen Nord- und Ostsee zum Beispiel stehen über 1.600 Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 9,2 Gigawatt (GW). Doch neue Technologien eröffnen die Chance, das Potenzial von Windenergie auf See noch deutlich besser zu nutzen: sei es durch innovative Anlagendesigns oder durch neue Wege, den erzeugten Strom direkt vor Ort einzusetzen.
Wir stellen Euch zwei internationale Projekte vor, die auf sehr unterschiedliche Weise in Richtung Zukunft weisen: Das norwegische Unternehmen Wind Catching Systems entwickelt eine völlig neue Form schwimmender Offshore-Windanlagen, um mehr Strom auf weniger Meeresfläche zu erzeugen. Das deutsche Leitprojekt H2Mare nutzt Offshore-Wind als Ausgangspunkt, um grünen Wasserstoff und klimafreundliche Folgeprodukte direkt auf See herzustellen – unabhängig vom Stromnetz.
Windcatcher: Mehr Strom auf weniger Fläche
Aus Norwegen kommt eine Idee, die das klassische Design von Offshore-Windkraftanlagen auf den Kopf stellt. Statt auf eine einzige, riesige Turbine setzen die Ingenieure von Wind Catching Systems (WCS) auf viele kleinere Rotoren.
Kern der Entwicklung ist eine schwimmende Plattform, auf der 40 Windräder mit jeweils rund 1 Megawatt (MW) Leistung in einem hohen Stahlgitter angeordnet sind. Dieses „Windsegel“ kann Luftströme aus verschiedenen Höhenlagen gleichzeitig nutzen. Außerdem ist ein solcher Windcatcher deutlich einfacher zu warten, da viele Bauteile standardisiert und vergleichseiwese klein sind. So können defekte Rotoren direkt auf See ausgetauscht werden – ohne teure Spezial-Kranschiffe. Das spart Kosten und erhöht die „Erntezeiten“. Gleichzeitig benötigen Windcatcher pro erzeugter Kilowattstunde Strom weniger Meeresfläche als herkömmliche Windparks.
Um die Technologie zur Marktreife zu bringen, hat WCS Anfang 2025 gemeinsam mit dem deutschen Energieversorger EnBW die Projektgesellschaft Wind Catching Demo AS (WCD) gegründet. WCD erhielt vom norwegischen Staat umgerechnet rund 102 Millionen Euro Fördermittel, um 2029 die erste Demonstrationsanlage in Betrieb zu nehmen. Deren Bau ist in der Nordsee geplant, rund 22 Kilometer vor der Kommune Øygarden an der norwegischen Westküste, in 250 bis 300 Metern Wassertiefe.
Das Projekt soll in zwei Stufen umgesetzt werden: Phase 1 sieht zunächst zwei Windcatcher-Einheiten vor, Phase 2 den möglichen Ausbau auf bis zu 250 MW installierte Leistung mit einer Jahresproduktion von rund 655 Gigawattstunden. Etwa die Hälfte von dem, was ein Offshore-Windpark mittlerer Größe heute erzeugt. Aber genug, um theoretisch mehr als 160.000 Haushalte für ein Jahr mit Strom zu versorgen.
Gelingt der Praxistest, könnte die Wind-Catching-Technologie als kommerzielle Lösung weltweit durchstarten – mit dem Potenzial, Offshore-Windparks deutlich platzsparender, flexibler und wartungsärmer zu gestalten.
H2Mare: Wasserstoff direkt auf hoher See erzeugen
Das deutsche Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare will zeigen, dass Strom aus Offshore-Windkraft nicht um jeden Preis an Land ins Netz eingespeist werden muss: Mehr als 30 Partner aus Industrie und Wissenschaft forschen daran, wie sich dieser Strom durch Herstellung von Grünem Wasserstoff und Wasserstoff-Folgeprodukten direkt auf See nutzen lässt.
Die Vision: Anstatt Stromkabel bis an das Festland zu verlegen, wird der erzeugte Strom vor Ort in speicherbare Energieträger umgewandelt. Das senkt nicht nur die bisher hohen Infrastrukturkosten, sondern entlastet auch die örtlichen Netzstrukturen. Zudem stehen auf dem Meer deutlich größere Flächen zur Windenergienutzung zur Verfügung als an Land. Und der offshore erzeugte Grüne Wasserstoff? Er lässt sich lagern, transportieren und flexibel einsetzen: in Industrie, Verkehr oder Energieversorgung.
Kernidee ist die direkte Kopplung einer Windkraftanlage mit einem Elektrolyseur, der Wasser mithilfe von Windstrom in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Die direkte Kopplung soll die Kosten der Wasserstoffproduktion verringern. Jedoch müssen die Anlagen an die rauen Bedingungen auf dem Meer angepasst werden – von der Technik bis zur Wartung.
H2Mare gliedert sich in vier Teilprojekte
Jüngste Erfolgsmeldungen
Im Sommer 2025 feierten die Partner von Ptx-Wind im Hafen von Bremerhaven eine Weltpremiere: die Inbetriebnahme der ersten schwimmenden Versuchsplattform, die eine komplette Power-to-X-Prozesskette für nachhaltige Kraftstoffe demonstriert und künftig die Produktion von klimafreundlichen Kraftstoffen – sogenannten E-Fuels – aus Grünem Wasserstoff per Fischer-Tropsch-Synthese auch unter Offshore-Bedingungen ermöglichen soll. Denn die Erkenntnisse, die die Forscher mithilfe dieser Anlage gewinnen, sollen den Weg für größere Anlagen auf See ebnen.
Dem Teilprojekt OffgridWind gelang im September 2024 ein wichtiger Zwischenschritt: In der Onshore-Versuchsanlage im dänischen Floe konnte eine Windenergieanlage erstmals erfolgreich mit zwei Elektrolyseuren im Megawatt-Bereich gekoppelt werden. Nun können die Forscher untersuchen, wie sich eine schwankende Stromversorgung auf die Steuerung und Funktion des Wasserstoffsystems auswirkt und wie sich die Umschaltung zwischen verschiedenen Systemkomponenten bestmöglich steuern lässt.
Gefördert wird H2Mare vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit insgesamt 105,3 Millionen Euro. Das Leitprojekt ist kürzlich bis Ende 2025 verlängert worden. Der öffentliche Abschlussbericht soll voraussichtlich Mitte 2026 erscheinen und in der TIB (Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek) abrufbar sein.
Mit H2Mare könnte die Produktion von grünem Wasserstoff und Power-to-X-Produkten künftig direkt dort stattfinden, wo der Strom entsteht – auf hoher See. Das würde nicht nur Kosten für Kabel und Netzausbau sparen, sondern auch neue Möglichkeiten für die großflächige Nutzung von Offshore-Wind eröffnen.


