Ein spanischer Azubi in Deutschland
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Blick über den Tellerrand: ein spanischer Azubi in Deutschland (Artikel 1/2)

 

Jeder zweite junge Mensch in Spanien ist arbeitslos! Damit ist das Land trauriger EU-Spitzenreiter. Während sich für junge Spanier die Suche nach einem Ausbildungsplatz in der Heimat als echte Herausforderung erweist, herrscht in deutschen SHK-Betrieben hingegen Nachwuchsmangel. Zwei Umstände, die sich miteinander verbinden lassen? „Absolut!“, meint zumindest Dirk Gläschig, Inhaber der Firma Gläschig in Villingen-Schwenningen, und startete ein mutiges Projekt.

Für Dirk erwies sich die Lage Spaniens 2014 als Glücksfall. „Für uns war es sehr schwierig, überhaupt noch Azubis zu bekommen. Da haben wir uns gedacht, warum nicht einfach mal einen Blick über den Tellerrand hinaus wagen?“, erinnert er sich. Vor zwei Jahren wurde Dirk auf das Projekt „Spanische Auszubildende für das Handwerk“ aufmerksam. Die Initiative, die von der Handwerkskammer Konstanz, der Arbeitsagentur und der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg ins Leben gerufen wurde, verfolgte gleich zwei Ziele: Zum einen Handwerksunternehmen zu unterstützen, die händeringend nach Nachwuchs suchen, und gleichzeitig jungen Spaniern einen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu ermöglichen. Überzeugt von der Idee, reiste Dirk nach Barcelona, um den jungen Leuten die SHK-Branche und den Beruf des Anlagenmechanikers vorzustellen. „Für uns als Unternehmen und die jungen Spanier war es eine echte Win-Win-Situation.“, erklärt Dirk zufrieden.

Neustart in Deutschland

In Spanien stieß Dirk auf großes Interesse. Gleich 50 Kandidaten waren bereit, für ihre Ausbildung nach Deutschland auszuwandern. Einer der Bewerber beeindruckte ihn jedoch ganz besonders. Mit seiner großen Motivation und seiner Flexibilität zeigte Pere Castellvell Fabres schnell, dass es ihm ernst war. „Es hat sofort gepasst!“, erinnert sich Dirk gerne an das erste Treffen mit dem 30-Jährigen. Und tatsächlich – im Mai 2014 war es soweit! Mit ein paar Deutschkenntnissen aus einem dreimonatigen Intensivkurs in Spanien und großer Spannung, was ihn erwartet, zog Pere von Barcelona nach Villingen-Schwenningen und startete seine Ausbildung zum SHK-Anlagenmechaniker. Um ihm den Neustart in Deutschland so einfach wie möglich zu machen, kümmerte sich Dirk um eine nahe gelegene Wohnung für seinen neuen Auszubildenden. Dirk lieh ihm sogar ein Mountainbike. Der Grund? Ganz einfach, Pere sollte im Schwarzwald auf Entdeckungstour gehen können, um seine neue Heimat besser kennenzulernen.

Und heute?

Der Plan ging auf. „Ich wusste, es ist eine super Möglichkeit. Aber es ist noch besser, als ich es mir vorgestellt habe!“, sagt Pere heute, knapp anderthalb Jahre später. Mittlerweile ist sein Deutsch richtig gut geworden. „Er spricht jetzt Deutsch mit katalanischem Akzent und hat sogar einen alemannischer Dialekt“, lacht Dirk. Bei Freunden und Kollegen sorgt das häufig für Belustigung. Mittlerweile ist Pere ein fester Bestandteil von Dirks Team und wird von seinen Kollegen sehr geschätzt. Trotz der Entfernung zu seiner Familie ist die Motivation für den Beruf nicht gesunken, im Gegenteil: „Seine große Begeisterung für den Beruf überträgt Pere auch auf andere Azubis.“, freut sich Dirk. In Kürze stehen für Pere die Zwischenprüfungen an. Dirk macht sich deshalb keine Sorgen: „Seine Noten sind gut.“, weiß er.

Hat sich das Projekt gelohnt?

Insbesondere in der Anfangszeit bedeutete die Ausbildung des ausländischen Azubis natürlich mehr Aufwand für Dirk, angefangen bei der Anmeldung im Rathaus bis hin zur Hilfe bei der Wohnungssuche. Hat es sich trotzdem gelohnt? „Auf jeden Fall!“, sagt Dirk. „Pere ist mit seiner offenen Art eine echte Bereicherung für unser Team.“ Im Allgemeinen ist der Fimeninhaber der Meinung, dass unterschiedliche kulturelle Hintergründe seinem Team guttun, solange sich alle gegenseitig respektieren und die Chemie untereinander stimmt. Mittlerweile finden sich sieben unterschiedliche Nationalitäten in der fast 30-köpfigen Mannschaft der Firma Gläschig . Der jüngste Neuzugang im Team: ein Praktikant aus Eritrea im Nordosten Afrikas. Auf die Frage, ob Dirk sich vorstellen kann, dem jungem Mann langfristig eine Chance in seinem Unternehmen zu geben, sagt er: „Wenn es passt, na klar!“. Im Moment hat die Firma Gläschig im Gegensatz zu vielen anderen SHK-Betrieben das Glück, genug Nachwuchskräfte zu haben. Aus Erfahrung weiß Dirk jedoch, dass sich das schnell wieder ändern kann. Wenn es soweit kommt, würde er jederzeit wieder einen Blick über den Tellerrand werfen.

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