Climate Engineering: Letzte Rettung oder Größenwahn?
Im Kampf gegen den Klimawandel gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Denn klar ist: Gelingt es nicht, die globale Erwärmung einzudämmen, sind die Folgen für zukünftige Generationen dramatisch. Einige Forscher sehen Climate- oder Geo-Engineering als letzte Rettung an. Doch hält diese aktive Klimabeeinflussung, was sie verspricht?
Seit einiger Zeit diskutieren Forscher technische Eingriffe in unser Klimasystem als Möglichkeit, die menschenverursachten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Solche Maßnahmen werden Climate- oder Geo-Engineering genannt und lassen sich grob in zwei Kategorien ordnen: Solar Radiation Management (SRM) meint Methoden zur Reduzierung der Sonneneinstrahlung. Unter Carbon Dioxide Removal (CDR) Technologien fasst man hingegen Maßnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre durch dauerhafte Speicherung von CO2 zusammen. Anders als die klassischen Methoden zum Klimaschutz, die auf die Veränderung des menschlichen Verhaltens zielen, bekämpft Climate Engineering nicht die Ursachen des Klimawandels, sondern nur die negativen Auswirkungen.
Es ist eine kontroverse öffentliche Debatte darüber entstanden, ob, wie und wann Geo-Engineering eingesetzt werden soll. Hier ein Überblick über Chancen und Risiken:
Pro: Climate Engineering als Teil effektiver Klimapolitik
Letzte Rettung Technik
Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 verpflichteten sich alle ratifizierenden Staaten dazu, weitreichende Maßnahmen zu treffen, um die Erderwärmung auf unter zwei, möglichst sogar 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch inzwischen ist fraglich, ob sich diese Ziele überhaupt noch erreichen lassen. Nach Einschätzung von Klimaforschern müsste dafür bis 2020 der weltweite Energieverbrauch klimaneutral gestellt werden – derzeit schwer vorstellbar. Viele Wissenschaftler sehen Climate Engineering daher als letzte Rettung an.
Ein Spiel auf Zeit
Eine weniger extreme Argumentation geht davon aus, dass die Pariser Klimaziele durch die Reduzierung der vom Menschen verursachten Treibhausemissionen erreicht werden können, uns aber die Zeit davonrennt. Vertreter dieser Position sehen Geo-Engineering nicht als finale Lösung, sondern als Methode, um zusätzlich Zeit zu gewinnen: Ein Sonnenschirm nach der SRM Technologie zum Beispiel könnte die Erde vorübergehend vor kurzwelligen Sonneneinstrahlungen schützen und sie kühlen. Dadurch würde auch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sinken. Dank dieser Übergangslösung hätten Staaten ausreichend Zeit, ihre Klimaversprechen umzusetzen und die Menge der anthropogen erzeugten Treibhausgase zu reduzieren.
Wenig Aufwand, viel Ertrag
Einige Geo-Engineering Ansätze sind einfach umzusetzen und erzielen direkte Wirkung: zum Beispiel der SRM Sonnenschirm. Um die Schutzschicht über der Erde aufzuspannen, müssen reflektierende Partikel, sogenannte Aerosole, in die Stratosphäre gebracht werden. Als Aerosole geeignet sind beispielsweise Schwefelteilchen, deren Wirkung bereits aus natürlichen Vulkanausbrüchen bekannt ist. Wissenschaftler schätzen, dass SRM die Erde innerhalb von ein oder zwei Jahrzenten auf vorindustrielles Niveau abkühlen könnte – so würde mit wenig Aufwand ein signifikanter Fortschritt erreicht.
Contra: Climate Engineering als gefährlicher Hochmut
Unberechenbare Konsequenzen
Climate Engineering Methoden umzusetzen, bedeutet weiträumig und massiv in die Ökosysteme unseres Planeten einzugreifen. Die natürlichen Abläufe haben wir jedoch noch nicht vollständig verstanden. Daher könnten Eingriffe dieser Größenordnung durch menschliches Unwissen oder technisches Versagen katastrophale Konsequenzen für alle Lebewesen mit sich bringen. Zudem sind Geo-Engineering Technologien bisher gar nicht oder kaum getestet und lassen sich nur sehr schwer ohne Risiko erproben. Viele Experten sehen die Klimamanipulation daher als gefährliche menschliche Arroganz und warnen vor der Anwendung der Technologien.
Die perfekte Ausrede
Die Reduktion des CO2-Ausstoßes zum Beispiel ist keine einfache Aufgabe. Zudem bringt sie politische und wirtschaftliche Kosten mit sich, die viele Regierungen und Unternehmen gerne vermeiden würden. Technologien, die negative Konsequenzen der menschenverursachten Emissionen verhindern, versprechen hier einen einfachen Ausweg. Denn wenn Climate Engineering funktioniert, muss die Menschheit ihr Verhalten nicht ändern. Viele fürchten, dass ein solches Denken zum Paradigmenwechsel weg von der Bekämpfung der Ursachen der Erderwärmung und hin zur Bekämpfung ihrer Folgen führt. Das wäre hinderlich: Schließlich ist die weltweite Einsparung von Kohlendioxid noch immer die einzig unumstrittene und sichere Klimaschutzstrategie.
Ungerechtigkeit
Viele Geo-Engineering Gegner identifizieren soziale und regionale Ungerechtigkeit als weiteres Problem der Ansätze: Auf Grund der Diversität der verschiedenen Ökosysteme der Erde würden gewisse Regionen den Risiken des Climate Engineerings stärker ausgesetzt als andere. Bedenklich ist darüber hinaus, dass im Falle des Einsatzes von Geo-Engineering Technologien wenigen Personen oder Unternehmen umfassende Kontrolle über die globale Temperatur und somit über die ganze Erde zufallen würde. So entstünde ein gefährliches Machtungleichgewicht, das leicht missbraucht werden könnte.
Ist Climate Engineering die Zukunft?
Aktuell ist in der Debatte um technische Klimamanipulation noch nichts entschieden. Auch konkrete Anwendungen von Geo-Engineering Technologien sind selten. Das ehrgeizige Silicon Valley Projekt Ice911 ist eines der wenigen, das handelt: Mit einem Ansatz, den das Projekt selbst als „softes Geo-Engineering“ bezeichnet, versucht es, das Schmelzen der arktischen Eisschicht zu verlangsamen. Dazu werden hohle Mikrokugeln auf dem Eis verteilt, die wie eine reflektierende Schicht wirken und den natürlichen Hitzeschutz der Arktis wiederherstellen sollen. 2017 haben Mitarbeiter bereits 17.500m2 der Arktis mit den Mikrokugeln bedeckt. Bis Ende 2019 soll diese Fläche verzwanzigfacht werden. Ob das Projekt positive Erfolge verzeichnen kann, und ob weitere Climate Engineering Ansätze zumindest getestet werden, bleibt abzuwarten.