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„Raus aus dem ICE“

 

Stefan Raabe, Leiter Vaillant Kompetenzpartner und Geschäftsführer der Vesta GmbH, hat vier Tage in der Abtei Münsterschwarzach gelebt. Weitestgehend in Stille. Was hat ihn dazu bewogen? Und was hat er mitgenommen? Wir haben ihn gefragt – und er hat offenherzig geantwortet.

Die Abtei Münsterschwarzach liegt an der Mündung der Schwarzach in den Main, rund 23 Kilometer östlich von Würzburg. Und 330 Kilometer von Remscheid entfernt, der Heimatstadt von Stefan Raabe und Sitz der Vesta. Für ihn genau die richtige Distanz, um sich ins Auto zu setzen und seine Reise in die Stille schon auf dem ersten Meter Autobahn zu beginnen. Ohne Radio. Ohne Anrufe. Ohne Ablenkung.

FeldwegDu hast erzählt, eine Reise zu dir selbst unternommen zu haben. Was hat dich dazu veranlasst?

„Mein Berufsalltag. Denn gefühlt gleicht er einem ICE, der mit 250 Sachen unterwegs ist. Ich muss häufig über Dinge entscheiden, während sie an mir vorbeirasen. Dadurch gibt es Momente, in denen ich mich stark fremdbestimmt fühle. Das hat mich dazu bewogen, bewusst aus dem ICE auszusteigen – in ein Setting hinein, das es mir erlaubt, mich selbst zu betrachten: Was mache ich? Will ich das? Mit Antworten auf diese Fragen und einer neuen Haltung zu meinem Alltag bin ich wieder in den Zug eingestiegen.“

Wie fühlt sich dein Alltag heute an?

Er ist immer noch rasant, ganz klar. Aber mir gelingt es heute, mich bewusst aus seiner Umklammerung zu befreien. Denn ich versuche, jeden Tag einen Termin mit mir selbst zu vereinbaren. In diesen zehn, fünfzehn Minuten versetze ich mich in meine Auszeitwelt zurück und reflektiere den Tag, was ist gut gelaufen und was weniger. So verschaffe ich mir einen Moment der Ruhe, des Innehaltens und der Achtsamkeit mir – und letztendlich auch anderen gegenüber. Denn danach geht es ja weiter – mit neuer Kraft und Konzentration.

KirchenpforteWas hat dich im Kloster am meisten beeindruckt?

Die ‚Alleine-Zeit‘. Ich bin in die Abtei gegangen, hab mich in Stilleräume gesetzt, nachgedacht und notiert, was mir durch den Kopf ging. Auf dem riesigen Gelände gibt es einen Schweigepfad, den bin ich gegangen. Eine Erkenntnis dabei: Wenn ich mir Zeit nehme, mich mit mir auseinanderzusetzen, dann kommen Gedanken, die weh tun können. Um damit besser klarzukommen, habe ich mich von Geistlichen und Coaches spiegeln lassen – und zwei Entscheidungen getroffen, die mein Leben verändern.“

 

Stefan Raabe

Stefan Raabe ist Leiter Vaillant Kompetenzpartner und Geschäftsführer der Vesta GmbH, die sich um die Fortbildung, Zertifizierung und Vernetzung dieser eng an Vaillant angebundenen Fachhandwerker kümmert. Stefan hat Industriekaufmann bei Vaillant gelernt und Betriebswirtschaft (VWA) studiert. Vor seinem Wechsel zur Vesta hat er u. a. das Vaillant Partnerbindungsprogramm mitaufgebaut.

 

Magst du uns von diesen lebensverändernden Entscheidungen berichten?

„Die eine ist, mir jeden Tag die eben beschriebene Zeitinsel zu schaffen. Und die andere, mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Denn die Beziehung zu ihnen wird länger tragen als die zu meinem Job. Das wusste ich zwar schon immer und wurde mir auch schon häufig von Kollegen bestätigt, aber andere Dinge schienen bisher oft wichtiger zu sein. Heute mache ich mir immer wieder klar, dass ich meine Kinder nicht aus dem Blick verlieren will.“

Was ist deine wichtigste Erkenntnis?

„Wenn man sich selbst keine Zeit zur Reflexion nimmt, wird sie dir keiner geben. Also nehme ich sie mir – und wenn es nur ein paar Minuten sind.“

KreuzwegWas hat dich bei deinem Aufenthalt am meisten beeindruckt?

Die Stille. Die Abtei, ist ein Ort, an dem die Zeit im Grunde stillsteht. Die Abtei Schwarzach ist kein Schweigekloster, aber es wird wenig gesprochen – und wenn, dann klar. Du kannst sehr gut Zeit, mit dir selbst verbringen, aber auch am Klosterleben teilnehmen: an den Gebeten und den gemeinsamen Essen. Diese Rituale haben mir sehr geholfen, zu entschleunigen und mich auf die leise, stille Reise einzulassen.

Wie gelingt es dir, deine Klosterzeit im Alltag wiederaufleben zu lassen?

Ein guter Freund und Musiker hatte mir mal ein Album empfohlen, dass ich im Kloster viel gehört habe: „Echoes of a Winter Journey“ des Pianisten Paul Hankinson. Heute höre ich es oft, um mich runterzuholen. Dann versetzt mich die Musik wieder an diesen Ort und erinnert mich das, was ich mir dort vorgenommen habe.

Wie bist du auf die Idee gekommen, ins Kloster zu gehen?

Der Schlagzeuger meiner Band „der nächste bitte“ hatte mir schon vor fünf Jahren begeistert von einem Klosteraufenthalt erzählt. Seitdem war ich von der Idee infiziert. 2017 hatte mir meine Frau die Zeit für einen Aufenthalt zu Weihnachten geschenkt: ‚Mach‘ das, ich halte dir den Rücken frei.‘ So wurde aus der Idee 2018 erstmals Realität. In diesem Jahr war ich das zweite Mal dort.“

KircheWas war deine Erwartung? Wie hast du dir die Zeit, das Leben dort vorgestellt? Und wie war es wirklich?

„Ich hatte keine große Erwartung, wollte es einfach ausprobieren und mich überraschen lassen. Deshalb war ich letztes Jahr auch erstmal nur ein Wochenende dort. Als ich den ersten Mönchen begegnet war, dickbäuchig, gemütlich und fromm geschwollen daherredend, dachte ich schon: ‚Klischees bedient‘. Aber eben nicht nur: Ich habe im Kloster auch Leute getroffen, die viel Arbeiten, Stress haben und sich zum Beispiel sehr gut mit digitalen Medien auskennen.“

Gibt es Dinge, die dort erfahren hast, die gerne stärker in unserer Gesellschaft verankert sähest?

„Den Wunsch der Weltverbesserung habe ich nicht in mir. Aber Dinge, die ich dort erlebt habe, täten vielen Menschen gut: Achtsam durch den Tag zu gehen, seine Bedürfnisse zu kennen und diese nicht von Terminen zunichte machen zu lassen. Auch achtsam mit seinen Mitmenschen umzugehen. Das kann man im Kloster lernen. Ebenso eine Portion Gelassenheit. Es wird auch viel gelacht: Das Leben ist schön und gut und du musst nicht erst etwas leisten, um eine Berechtigung zu haben. Diese Erkenntnis hat mir gutgetan! Und es wäre auch unternehmerisch gut, wenn wir mal etwas weglächelten.“

Ist so ein Aufenthalt für jeden geeignet? Wem würdest du ihn besonders ans Herz legen?

„Ich würde ihn nicht jedem empfehlen. Ich kenne Menschen, von denen ich weiß, dass sie es nicht aushielten, mit sich alleine und den aufkommenden Gedanken konfrontiert zu sein. Menschen wie diesen würde ich empfehlen, sich während der Klosterzeit begleiten zu lassen – oder ein anderes Format zu suchen.“

Vielen Dank, dass du diese Erlebnisse und Erkenntnisse mit uns geteilt hast!

Abtei Münsterschwarzbach

Die Abtei Münsterschwarzach gehört zu den wichtigsten Klöstern der Benediktiner in Deutschland. Zum Konvent gehören 115 Benediktiner, von denen etwa 80 in Münsterschwarzach und 35 in abhängigen Häusern des Klosters oder der Missionsarbeit weltweit wirken. Die benediktinische Gastfreundschaft ist für alle offen, die auf der Suche nach Stille und Einkehr sind. In ihrem Gästehaus bieten die Mönche Exerzitien, Gesprächsbegleitung und Kurse zur Lebensorientierung und Glaubensvertiefung an. Zu ihnen gehört auch Anselm Grün. Er ist Autor vieler spiritueller Bücher und Referent, Dr. der Theologie und Betriebswirt. Alle Infos auf www.abtei-muensterschwarzach.de.

 

 

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Ein Kommentar

Lutz Leipoldt

Top und 100%. Der Weg nach vorn beginnt mit dem Weg nach innen! Vielleicht treffen wir uns einmal in der Abtei – ausgeschlossen ist das nicht. 🙂

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