Mehrere Plastikflaschen vor einem hellen Hintergrund

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Enzyme revolutionieren das Plastikrecycling

 

Plastik ist überall – und ein riesiges Umweltproblem. Recycelt wird viel zu wenig – und das Wenige schlecht. Die Lösung: biologische Scheren. Das französische Unternehmen Carbios will enzymatisches Recycling nun industriell einsetzen – mit vielversprechenden Aussichten.

Es begann mit einem Fund auf der Mülldeponie. Im Jahr 2001 entdeckten japanische Wissenschaftler auf einer Mülldeponie eine schleimige Bakterienschicht, die Plastik zersetzte. Diese Mikroorganismen gewinnen Energie, indem sie den Kohlenstoff im Plastik nutzen, ihn in seine Bestandteile zerlegen und sich dabei weiter vermehrten. Die ersten Forschungsergebnisse wurden damals nicht veröffentlicht, da Plastikmüll noch nicht als größeres Problem betrachtet wurde. Ganz anders heute.

Optimierte Enzyme beschleunigen den Plastikabbau

Seit der Entdeckung des Bakteriums Ideonella sakaiensis im Jahr 2016 arbeiten Forschende daran, dessen Enzym PETase gezielt zu optimieren, um die Abbauraten erheblich zu steigern. PETase wirkt als biologischer Katalysator, der Verbindungen im PET-Polymer spaltet und es in kleinere Bruchstücke zerlegt. Wissenschaftler am National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den USA setzen mutagene Verfahren ein, um Tausende Enzymvarianten zu testen und die leistungsstärksten zu identifizieren. Mit Erfolg: Ihre Arbeit hat bereits Enzyme hervorgebracht, die Plastik erheblich schneller zersetzen als das ursprüngliche PETase-Enzym.

Carbios etabliert biologisches Recycling im industriellen Stil

Neue Maßstäbe im Plastikrecycling setzt das französische Biotech-Unternehmen Carbios. Es betreibt eine Demonstrationsanlage, die täglich rund 250 kg PET (Polyethylenterephthalat) enzymatisch in seine chemischen Grundbausteine zerlegt – eine Methode, die eine hochwertige Wiederverwertung ohne Qualitätseinbußen ermöglicht. Doch es geht noch größer: 2024 startete der Bau der ersten kommerziellen Recyclinganlage in Longlaville, die ab 2026 jährlich 50.000 Tonnen PET recyceln soll. Die industrielle Nutzung von biologischen Recyclingverfahren wird damit vorangetrieben.

Aufbau der Carbios Demonstrationsanlage im ZeitrafferWarum PET so weit verbreitet ist

PET ist einer der am häufigsten verwendeten Kunststoffe weltweit. Es werden rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr davon produziert und vor allem zu Lebensmittel- und Kosmetikverpackungen sowie Polyester verarbeitet. Ein weiterer kommt in medizinischen Anwendungen zum Einsatz. Alternativen wie Glas oder biobasierte Kunststoffe sind oft nicht praktikabel – wegen ihres hohen CO2-Ausstoßes und der begrenzten Produktionskapazitäten.

Effizient, nachhaltig, zirkulär – die Vorteile der enzymatischen Recyclingtechnologie

Verglichen mit mechanischen oder chemischen Verfahren bietet die enzymatische Recyclingtechnologie spezifische Vorteile: Mit einer Effizienz von bis zu 95 % wird nahezu der gesamte Kunststoff wiederverwertet, was eine deutliche Verbesserung darstellt. Ein weiterer Vorteil ist der niedrige Energieverbrauch: Während chemische Recyclingverfahren oft Temperaturen von über 200 °C benötigen, arbeitet die Enzymtechnologie bereits bei 60–70 °C, was Kosten und Emissionen erheblich reduziert. Zudem sind keine Lösungsmittel erforderlich, sodass weder schädliche  Rückstände noch toxische Nebenprodukte entstehen.

Handy mit grünem Recyclingschild auf einer Netztasche

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Hohe Wiederverwertungsquote ohne Qualitätseinbußen

Ein weiterer großer Fortschritt besteht in der Zirkularität des Prozesses: Das recycelte PET kann bis zu 20-mal wiederverwendet werden, ohne an Qualität zu verlieren. Dadurch wird also ein echter geschlossener Stoffkreislauf geschaffen. Zudem ist das Verfahren flexibel: Es ermöglicht nicht nur das Recycling von PET-Flaschen, sondern prinzipiell auch von Verpackungen und Textilien, die bisher mechanisch kaum verwertbar waren.

Vor allem die Kombination aus Effizienz und Energieeinsparung führt zu einer deutlich besseren Umweltbilanz. Die CO₂-Emissionen sind um 46 % niedriger als bei der Herstellung von neuem PET, was das enzymatische Recycling zu einer besonders nachhaltigen Alternative macht.

Recyceltes PET ist teurer, besitzt  aber großes Zukunftspotenzial

Aktuell ist biologisch recyceltes PET noch teurer als fossiles PET – und etwa 30 % teurer als mechanisches Recycling. Doch langfristig sollten sich die Kosten durch CO₂-Steuern, steigende Rohölpreise und Effizienzsteigerungen verringern. Außerdem gewinnen nachhaltige Verpackungslösungen immer mehr an Bedeutung, was die Nachfrage nach hochwertig recyceltem PET weiter antreiben dürfte. Die EU etwa schreibt seit diesem Jahr 25 % recyceltes Plastik in Verpackungen vor.

Globale Expansion und Recycling anderer großer Kunststoffkategorien

Um seine Technologie weltweit zu etablieren, setzt Carbios auf Industriepartnerschaften, zum Beispiel mit L’Oréal, Patagonia, PepsiCo oder Indorama, einem der größten PET-Produzenten der Welt. Der Fokus liegt dabei aktuell auf der Lizenzierung der Technologie in Europa, Asien und Nordamerika, denn Kunststoffverschmutzung ist ein globales Problem, das dringend gelöst werden muss. Außerdem haben die Franzosen ihr wissenschaftliches Knowhow auf Polyamide und Polyolefine ausgeweitet und verfügen über die Kompetenz, die enzymatische Technologie auch auf andere große Kunststoffkategorien anzuwenden. Die Vision ist klar: Kunststoffrecycling auf ein neues Level heben und den weltweiten Plastikmüll drastisch reduzieren.

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