Plastic Bank: Wie aus Plastikmüll eine Währung wird
Arglos weggeschmissen gelangen pro Minute mehr als 15 Tonnen Plastik in die Meere. Doch was wäre, wenn PET-Flaschen, Plastiktüten und andere Kunststoffteile nicht mehr nur Abfall, sondern ein Zahlungsmittel wären? Das kanadische Social Start-up Plastic Bank ist die erste Bank, die Plastik in Zahlung nimmt. Ihr Ziel: Die Verschmutzung der Weltmeere deutlich zu reduzieren und gleichzeitig das Leben von Menschen in Armut verbessern.
Eine Studie der Umweltorganisation Ocean Conservancy in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung McKinsey zeigt: Besonders die ärmsten Länder der Welt haben einen großen Teil der Plastikverschmutzung der Meere zu verantworten. So tragen allein Indonesien, die Philippinen, Vietnam und Thailand zusammen mit China zu 60 Prozent der Plastikverschmutzung der Ozeane bei. Einen Anteil daran trägt der Tourismus in diesen Ländern. Ein weiterer Grund dafür ist der Mangel an Sammel- und Recyclingstrukturen.
Und genau hier setzt das Konzept des 2013 gegründeten Social Start-ups Plastic Bank an. Es errichtet die in den Entwicklungsländern benötigten Sammelstellen und bietet der Bevölkerung dort einen einheitlichen Preis für Kunststoffabfälle an. Sammler können ihr zusammengetragenes Plastik in verschiedene Dinge wie Geld, Strom, Werkzeug, Alltagsgegenstände oder Dienstleistungen eintauschen. Aus den vormals nutzlosen Plastikabfällen wird für die Bevölkerung so ein wertvolles Zahlungsmittel. Der finanzielle Anreiz senkt die Umweltverschmutzung und liefert den Sammlern dazu eine Möglichkeit, ihre unmittelbare Lebenssituation zu verbessern. Aufgrund des sozialen Aspekts wird das gesammelte Plastik auch „Social Plastic“ genannt.
Werkzeuge aus dem 3D-Drucker
Langfristig möchten die Gründer der Plastic Bank, David Katz und Shaun Frankson, eine möglichst regenerative und konsistente Lieferkette für das Social Plastic schaffen. Daher führt es die Plastic Bank auf zwei Arten wieder der Wertschöpfungskette zu. Zum einen wird es zu Plastikfäden verarbeitet, welche als „Tinte“ für 3D-Drucker dienen. Die 3D-Drucker stehen den Sammlern zusammen mit frei zugänglichen Designs zur Verfügung. So können sie sich aus ihrem gesammelten Plastik Gegenstände wie beispielsweise Werkzeuge für den Eigengebrauch oder Verkauf drucken. Zum anderen verkauft die Initiative das Social Plastic an Kooperationspartner, die es recyclen und beispielsweise als Verpackungsmaterial für ihre Konsumgüter wie Shampoo-Flaschen verwenden.
Blockchain-Technologie macht Plastik zur Kryptowährung
Um aus der lokal tätigen Initiative eine weltweite Bewegung zu machen, nutzt Plastic Bank moderne Blockchain-Technologie. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Datenbank, die alle Transaktionen speichert. Prämien wie Internetzugang, Essen oder medizinische Hilfe können durch das Blockchain-System konkreten Personen zugeordnet werden. Bezahlt wird daher nicht mit Geld, sondern mit digitalen Tokens, die Sammler für ihr abgegebenes Plastik in einer App auf ihrem Smartphone erhalten. Besonders in von Armut betroffenen Regionen hat die Technologie und die Möglichkeit der direkten Zuweisung von Dienstleistungen den Vorteil, dass den Sammlern im Gegensatz zu Bargeld diese Währung nicht abgenommen werden kann. Dazu hat die Währung Plastik auf diese Weise überall auf der Welt den gleichen Wert von 0,50 US-Dollar für 1 Kilogramm Plastik. Ähnlich wie bei Klimakompensation, also dem Ausgleich des eigenen CO2-Fußabdrucks, kann dadurch jeder auch seinen eigenen Plastikfußabdruck ausgleichen. Zur Berechnung finden Interessierte auf der Internetseite der Plastic Bank auch ein Tool dafür.
Kooperationen bringen neue Plastic Bank „Filialen“ hervor
Mittlerweile gibt es Plastic Banks auf den Philippinen, Indonesien und Haiti. Eine Expansion nach Brasilien steht kurz bevor und ist für weitere Länder in Planung. Aber auch die Zahl der Sammelstellen in den bereits erschlossenen Ländern steigt durch die Unterstützung verschiedener Kooperationspartner an. Über alle Standorte hinweg nutzen aktuell mehr als 4.300 Sammlerinnen und Sammler die Anlaufstellen, um Plastik gegen Token einzutauschen. Zusammen haben sie nach Angaben von Plastic Bank seit Eröffnung der ersten Sammelstelle über 9.700 Tonnen Plastik eingesammelt und so der Wertschöpfungskette wieder zugeführt. Das entspricht mehr als 500 Milliarden Plastikstrohalmen, mehr als 1,5 Millionen To-Go-Becher oder auch mehr als 485 Millionen PET-Flaschen.
Beispiel Haiti
Seit Eröffnung der ersten Plastic Bank auf Haiti im März 2015 werden die mittlerweile 32 Sammelstellen vor allem von Frauen genutzt. Das Sammeln von Plastik bietet ihnen die Möglichkeit auch ohne Bildung die Miete zu bezahlen und Essen für ihre Familien zu verdienen. Viele von ihnen bezahlen mit den gefundenen Abfällen das auf Haiti notwendige Schulgeld für ihre Kinder. Darüber hinaus ermöglicht es Plastic Bank zusammen mit Kooperationspartnern den Sammlern, Lesen zu lernen und einen Zugang zu Bildung zu bekommen. Der Gedanke dahinter: Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben und zu einem nachhaltigeren Umgang mit der eigenen Umwelt.
Was sagen Kritiker?
Gründer David Katz nutzt für die Plastikverschmutzung der Umwelt gerne die Metapher eines offenen Wasserhahns, der ein volles Waschbecken immer weiter überlaufen lässt. Bisherige Initiativen hätten lediglich versucht das übergelaufene Wasser aufzuwischen. Plastic Bank hingegen stelle langfristig den Hahn ab. Kritiker entgegen jedoch, dass die Sammler der Plastic Bank weiterhin nur die Symptome bekämpfen, nicht aber die Ursachen des Plastikmülls. Dazu können durch die Sammler nur größere Plastikteile aufgegriffen werden, daher biete die Plastic Bank auch keine Lösung für das größte Problem – die Verschmutzung durch Mikroplastik. Außerdem befürchten Kritiker von Kompensationszahlungen, dass diese die Konsumenten dazu verleiten, sich nicht mehr um eine klimaschonende Lebensweise zu bemühen. Sie sind der Meinung, dass sich mit vermeintlich geringem finanziellem und persönlichem Aufwand ein reines Gewissen erkaufen lässt. Eine solche Entwicklung würde den offenen Wasserhahn in der Tat nicht abstellen, sondern nur weiter gefährlich aufdrehen. Daher ist hier die Verbraucher selbst und natürlich auch die Industrie gefragt, sich Gedanken zu machen, wie man Plastikabfälle weiter reduzieren kann.
Wie steht Ihr zu Social Plastic? Versucht Ihr im Alltag auf Plastik zu verzichten? Und könntet Ihr Euch vorstellen, Euren Plastikverbrauch zu kompensieren? Schreibt es uns in die Kommentare, wir sind gespannt auf Eure Meinung.