
Geothermiekraftwerke: Wärme und Strom aus der Tiefe
Es ist ein faszinierender Gedanke: Einfach die Wärme aus dem Inneren der Erde nutzen, um damit zu heizen, zu kühlen und Strom zu erzeugen. Aber geht das? In jedem Fall lohnt ein genauer Blick. Geothermie heißt das Verfahren und es könnte künftig einen nachhaltigen Beitrag zur Wärmewende leisten.
Was ist Geothermie?
Geothermie bezeichnet in der Erdkruste gespeicherte Wärme, die ihr entzogen und so beispielsweise zum Heizen genutzt werden kann, aber auch um Strom zu erzeugen. Hier gibt es zwei verschiedene Arten.
Die oberflächennahe Geothermie findet sich in einer Tiefe von meist 150 Metern bis maximal 400 Meter Tiefe. Sie wird beeinflusst von Sonne, Regen, Grundwasser und der Leitfähigkeit des Gesteins. Anzapfen lässt sie sich über Erdwärmekollektoren und -sonden wie eine Sole-Wasser-Wärmepumpe, Grundwasserbohrungen oder Erdpfähle.
Die tiefe Geothermie umfasst Systeme, für die über 1.000 m tief gebohrt wird und in denen Temperaturen von mehr als 60 Grad herrschen. Um diese Energie zu gewinnen und zu verarbeiten, sind große Anlagen notwendig. Die in dieser Tiefe gewonnene Wärme lässt sich ins Versorgungsnetz einspeisen und so ganze Stadtviertel erwärmen. Über entsprechende Kraftwerke lässt sich sogar Strom aus Erdwärme erzeugen. Dann ist doch alles klar: so werden wir künftig klimafreundlich heizen. Ein paar tiefe Löcher bohren und fertig? Leider nicht.
Laut Bundesverband Geothermie kam im Jahr 2022 in mehr als 470.000 Ein- oder Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Einrichtungen, Krankenhäusern, Schulen oder Gewerbebetrieben oberflächennahe Geothermie in Deutschland zum Einsatz. Jährlich kommen ca. 31.000 Geothermieanlagen hinzu.
Tiefe Geothermie ist nicht überall kosteneffizient verfügbar
Um tiefe Geothermie nutzen zu können, müssen besondere geologische Bedingungen erfüllt sein. Geothermisch aktive Gesteinsschichten, die durchlässig genug sind, oder heiße Wasservorkommen (Thermalwasser) sind nicht überall in Deutschland in ausreichender Tiefe und Menge vorhanden. Aber es gibt Regionen, in denen tiefe Geothermie funktioniert. Beispielsweise das süddeutsche Molassebecken und der Oberrheingraben.
- Im süddeutschen Unterhaching versorgt ein Kraftwerk mit Wärme aus rund 3.000 Metern Tiefe rund 13.000 Haushalte. Das Wasser hat eine Temperatur von 122 Grad. Pro Sekunde kommen bis zu 140 Liter nach oben und laufen in den Wärmetauscher, wo die Energie ans Fernwärmenetz übertragen wird. 55 Kilometer Leitung binden die halbe Gemeinde an. Das System funktioniert wie ein Kreislauf: Anschließend wird das Wasser über eine zweite Bohrung wieder in die Erde geleitet.
- Ein weiteres Projekt läuft in Graben-Neudorf im Kreis Karlsruhe. Seit August 2023 wird hier aus etwa 4.000 Meter Tiefe rund 160 Grad heißes Thermalwasser nach oben befördert, um daraus in etwa zwei Jahren Fernwärme und Strom für die Region zu gewinnen.
- Insgesamt 41 Anlagen sind aktuell in Deutschland in Betrieb, Heizkraftwerke, die Wärme und Strom produzieren, und Kraftwerke, die nur Strom liefern.
Welche Risiken hat Geothermie?
Eine Schwierigkeit bei der Nutzung von Geothermie ist, dass sie Erdbeben auslösen kann. Experten wie Ingrid Stober, Geologin an der Universität Freiburg, gehen zwar davon aus, dass das Risiko von Erdbeben beherrschbar ist, völlig ausschließen können sie es aber nicht. Allerdings rechnen sie mit so geringen Erdstößen, dass diese für den Menschen nicht einmal spürbar sind. Das hochgepumpte Thermalwasser kann zudem in den Anlagen Schwefelwasserstoff, Borsäure, Ammoniak, Arsen und Quecksilber oder sogar radioaktive Substanzen enthalten und dadurch das Grundwasser verunreinigen. Hinzu kommen säurehaltige Substanzen, die in manchen Kraftwerken die Rohre und Pumpen frei von Kalk und Rost halten. Einen Stoff kann das Thermalwasser wiederum im Gepäck haben, der sehr begehrt ist. Im badischen Bruchsal findet sich Lithium im Thermalwasser, das für Akkus dringend benötigt wird.
Die Kosten für Geothermie sind enorm
Ein weiterer Nachteil sind die beträchtlichen Kosten. Besonders ins Gewicht fallen die Ausgaben für die Bohrungen. Für Graben-Neudorf belaufen sich die geschätzten Kosten auf zehn bis zwölf Millionen Euro. Zudem fallen für Geothermiekraftwerke immer zwei Bohrungen an. Warum? Das heiße Thermalwasser wird auf der einen Seite herausgepumpt, die Wärme über einen Wärmetauscher entnommen und durch die zweite Bohrung zurück in die Erde befördert. Dort heizt es sich wieder auf – ein gewaltiger Kreislauf schließt sich. Zudem lassen sich die Kraftwerke nicht einfach aus dem Boden stampfen: Sechs bis sieben Jahre dauert es, bis eine Anlage in Betrieb gehen kann. Dafür sind viele Fachkräfte notwendig, die zurzeit noch fehlen.
Einfach halten: oberflächennahe Geothermie
Die oberflächennahe Geothermie ist einfacher zu nutzen. In Mittel- und Nordeuropa haben sich Erdwärmesonden etabliert. Eine Wärmepumpe transportiert das Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel und bringt so die Wärme nach oben. Die Sonden sind über senkrechte Bohrungen in 50 bis 160 Meter Tiefe eingelassen. Ein bis zwei Bohrungen genügen, um ein Einfamilienhaus zu beheizen. Mehr Platz benötigen Erdwärmekollektoren: Sie werden 80 bis 160 cm tief in Schlangenlinien auf unbebauter Fläche wie im Garten verlegt. Mit den Jahreszeiten schwanken zwar die Untergrundtemperaturen, aber eine Wärmepumpe lässt sich dennoch effizient betreiben. Weiterer Vorteil: Wenn wir uns im Sommer nach Abkühlung sehnen, lässt sich die kühlere Luft in der Erde zur Klimatisierung der Räume nutzen. Diese passive Kühlung verbraucht wesentlich weniger Energie im Vergleich zu einer herkömmlichen Klimaanlage. Zudem sind die Kosten für die Installation einer Erdwärmepumpe zwar zunächst höher, dafür halten die Anlagen ewig: Bis zu 30 Jahre Nutzungsdauer bei regelmäßiger Wartung sind keine Seltenheit.
Fazit: Geothermie als Teil der Wärmewende
Geothermie ist sicher eine nachhaltige Möglichkeit, um Energie zu gewinnen und so den CO2-Fußabdruck im Gebäudesektor zu reduzieren. Die Nutzung der Erdwärme bietet viele Vorteile. Tiefe Geothermie zeigt großes Potenzial in bestimmten Regionen in Deutschland und kann gleich ganze Stadtviertel mit Wärme und Strom versorgen.