Wie wandelt sich unser Klima regional? Forscher lassen virtuelles Getreide wachsen
Laut Prognosen wird sich die Erdoberfläche bei gleichbleibenden Treibhausemissionen in den nächsten 30 Jahren um 0,2 Grad Celsius pro Dekade* erwärmen. Doch gilt dies für die Lüneburger Heide ebenso wie für das Allgäu? Forscher der Universität Hohenheim sind der Antwort auf der Spur.
Was auf unseren Äckern wächst, wirkt sich massiv auf unser Klima aus. Denn Pflanzen verdunsten Wasser, absorbieren Sonnenenergie und strahlen diese in Teilen wieder ab – und beeinflussen so zum Beispiel Wärmehaushalt, Wasserkreislauf, Wolkenbildung, Wind und Regen. Hohenheimer Forscher entwickeln aktuell ein Computermodell, das erstmals den Einfluss von Nutzpflanzen auf das Klima berücksichtigt. Denn es macht einen Unterschied, ob Winterweizen bereits im Frühjahr den Boden bedeckt oder Mais erst ab Mai. Ebenso spielt es eine Rolle, wie stark Pflanzen den Boden vor der Sonne abschirmen. Da diese Effekte in gängigen Klimamodellen bisher keine Rollen spielen, konnte der weltweite Temperaturanstieg nach Ansicht der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ bislang nur annähernd berechnet werden.
Mancherorts wird es viel heißer, anderswo kühler werden
Das interdisziplinäre Team um Prof. Dr. Thilo Streck will nun genauere Berechnungen für kleine Regionen, damit wir uns auch lokal gezielt auf den Klimawandel einstellen können: „Was nützt ein großräumiger Durchschnittswert, wenn es in Teilen von Deutschland noch viel heißer wird, in anderen vielleicht sogar abkühlt“, so der Biogeophysiker. Natürlich werden sich auch die Landwirte darauf einstellen und mit dem Klimawandel verstärkt neue Kulturen anbauen. „Soja ist auf unseren Äckern bereits angekommen und die Sonnenblume erlebt ein Comeback – diese Pflanzen wollen wir jetzt auch in unser Modell integrieren“, erklärt Dr. Joachim Ingwersen aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Streck.
Präzise Klimavorhersage funktioniert nur mit grünem Daumen
Der Weg zu den virtuellen Pflanzen ist Fleißarbeit. Für deren Entwicklung sammelten die Forscher sieben Jahre lang Messdaten von sechs speziellen Messstationen im Kraichgau und auf der Schwäbischen Alb. Auf unzähligen Feldern vermaßen sie Pflanzen, erforschten Wasser- und Wärmeflüsse zwischen Boden, Pflanzen und Atmosphäre und fütterten den Computer mit Messdaten über die Bodenverhältnisse vor Ort. Aktuell beherrscht ihr Computermodell bereits alle gängigen Hauptkulturen wie Weizen, Raps, Mais, Sommer- und Wintergerste. Jetzt soll es um Exoten wie Soja und Sonnenblumen erweitert werden.
Berechnungen laufen auf Supercomputer in Stuttgart
Rund drei Jahre haben die Forscher bisher an ihrem Klimamodell geforscht, dessen Bausteine sie aktuell zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Zwei weitere Jahre veranschlagt Prof. Dr. Streck für den Feinschliff, der mit vielen Tests verbunden ist. Und die sind aufwendig. Für die komplexen Berechnungen nutzen die Forscher den Supercomputer Hornet am High Performance Computing Center Stuttgart (HLRS) – immerhin Teil des größten und stärksten Supercomputing Netz Europas. Trotzdem können einzelne Testläufe Tage bis Wochen dauern. Doch die Mühe lohnt sich! Denn je genauer wir den Klimawandel vorhersagen können, desto besser kann sich jeder einzelne von uns darauf einstellen.
*Quelle: Umweltbundesamt