So sehen sie aus, die Ziegelsteine aus Pilzen. (c) Martin Weinhold

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Das neue Steinzeitalter

 

Wer baut schon gerne auf Sand? Wir alle! Denn Sand ist ein wesentlicher Bestandteil von Zement und Beton. Eine natürliche Ressource, die immer knapper wird. Und da Straßen und Häuser kaum ohne diese beiden Baumaterialien auskommen, müssen dringend Alternativen her. Anlass für uns, Forschern über die Schulter zu schauen.

In jedem Meter Straße stecken Tonnen von Sand und Kies. Sie geben Beton Stabilität und machen Autobahnen tragfähig. Doch Sand und Kies werden knapp. Außerdem setzt die Herstellung von Beton Unmengen von klimaschädlichem CO2 frei. Daher muss die Baubranche ihren Verbrauch an Sand und Beton besser heute als morgen reduzieren, um zukunftsfähig zu bleiben. „Abrissbeton“ muss verstärkt recycelt und es müssen neuartige Baustoffe entwickelt werden. Genau daran arbeiten zum Beispiel Professorin Vera Meyer und ihr Team im Forschungsprojekt „Mind the Fungi“ an der TU Berlin.

Fakten zum Sand- und Flächenverbrauch in Deutschland

  • In den Jahren 2015 bis 2018 haben im Durchschnitt pro Tag 58 Hektar Fläche verbraucht. Dies entspricht 81 Fußballfeldern.
  • In einem Einfamilienhaus stecken etwa 200 Tonnen Sand; in einem Kilometer Autobahn rund 30.000 Tonnen.
  • Wüstensand ist zum Bauen ungeeignet. Außerdem wären die Transportkosten – zum Beispiel aus der Sahara nach Deutschland – viel zu hoch.

„Mind the Fungi“: Bauen mit Baumpilzen

Prof. Vera Meyer

Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer, Leiterin des Fachgebiets Angewandte und Molekulare Mikrobiologie am Institut für Biotechnologie der TU Berlin. (c) Martin Weinhold

Ziel des Projekts ist es, neue Ideen und Technologien für pilzbasierte Materialien der Zukunft zu entwickeln. Den Fokus skizziert die Forschungsleiterin auf der Hybrid Plattform (https://www.hybrid-plattform.org/), dem Bindeglied zwischen der TU Berlin und der Universität der Künste Berlin, wie folgt: „Pilztechnologie ist ein ziemlich großes Feld. Wir konzentrieren uns hier auf Baumpilze, die starke Materialien erzeugen können. In den Laboren der TU Berlin wird das Myzel gezüchtet und auf seine Materialeigenschaften untersucht. Dabei arbeiten Wissenschaftler mit Designern zusammen, um neue Verwendungsmöglichkeiten für dieses Material zu entwickeln.“ So sollen Pilze künftig nicht nur Styropor oder Leder ersetzen, sondern auch Rohstoff für die Herstellung von Bauziegeln sein. Denn Baumpilze sind nicht nur sehr hart und leicht, sondern auch recycelbar. Eigenschaften, die hinsichtlich des Klimawandels und möglicher Migrationsbewegungen durchaus wertvoll sind.

Doch wie wird aus einem Pilz ein Baustoff?

Der Lebenszyklus eines Pilzes beginnt mit einer Spore, aus der sich schnell verzweigende Zellfäden bilden. In Berlin werden diese Sporen auf Abfällen aus der Agrar- und Forstwirtschaft kultiviert. Dabei wachsen die Zellfäden nicht nur in ihr Substrat hinein, sondern auch um die nährenden Pflanzenstängel herum und verbinden sie wie ein Klebstoff. Das Ergebnis ist ein stabiles und dennoch leichtes und flexibles Verbundmaterial, was Wärme und Schall hervorragend dämmt.

Man nehme zwei hohle Ziegelhälften, kultiviere darin Pilz und backe sie bei mittlerer Hitze zusammen

So nutzen die Forscher unter anderem halbierte, hohle Ziegel, um darin Pilze zu kultivieren, die dann auch mit der äußeren Form verwachsen und die beiden Hälften fest miteinander verbinden. Solche Pilzziegel entstehen in einem Brutraum. Von der ersten Pilzkultur bis zum fertigen Baustoff dauert es ungefähr 28 Tage. Ein Prozess, der industrialisiert noch deutlich schneller ablaufen kann. Um Schimmelbildung zu vermeiden, arbeiten die Forscher steril und erwärmen das Substrat auf bis zu 120 °C. Zum Vergleich: Beton wird in der Herstellung auf 1.400 °C erhitzt. Entsprechend geringer ist der CO2-Fußabdruck des Pilzziegels. Die am Projekt beteiligten Architekten gehen davon aus, dass bereits in den nächsten Jahren mit Pilzen gebaut werden wird. An Wänden angebrachte Akustikpaneele zur Schalldämmung sind ebenso denkbar wie Dämmstoffe für Fachwerkbauten. In der Zwischenzeit wird in Berlin weiter geforscht – vor allem daran, wie die Verbundmaterialien gegenüber Feuchtigkeit unempfindlich werden. Laut Prof. Vera Meyer wird dies gelingen – so wie es auch im Holzbau gelungen ist.

Betonrecycling: Gut für die Umwelt, ungünstig fürs Budget

Niemand baut mehr für die Ewigkeit. Umso dringender sollte durch Abriss verfügbar gewordenes Baumaterial wiederverwendet werden – was auch möglich ist, nachdem es von Verunreinigungen wie Mauerwerk, Putz, Fenster oder Türen befreit worden ist. Genau das macht Recyclingbeton noch teurer als neuen Beton. Da er qualitativ aber genauso gut ist, könnte es helfen, wenn die Politik den Einsatz von Recyclingbeton fördern würde.

Ziegelsteine mit Energiespeicherfunktion

Eine Kunststoffbeschichtung im Inneren sorgt dafür, dass der Ziegelstein Elektrizität speichern und leiten kann. (c) D’Arcy laboratory

Rote Backsteine sind auf der ganzen Welt verbreitet und prägen vielerorts das Stadtbild: vom Londoner East End über das Gebiet der Hanse im Norden Deutschlands bis hin nach Brooklyn, New York. Forscher der Washington University St. Louis haben daraus einen Energiespeicher gemacht und dem Baustoff so zu einem zusätzlichen Nutzen verholfen. Dazu hat das Team um den Chemiker Julio D’Arcy eine Beschichtung entwickelt. Diese besteht aus Nanofasern eines elektrisch leitfähigen Kunststoffs, der das poröse Innere des Steins durchdringt und Elektrizität speichert und leitet. Verbunden mit Solarzellen, könnten die Steine dazu dienen, die Notbeleuchtung in einem Gebäude mit Strom zu versorgen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu nachhaltigerem Bauen.

Energiespeichernde-Ziegelsteine für Notstrombeleuchtung

Energiespeichernde Ziegelsteine können die Notstrombeleuchtung oder Straßenlaternen versorgen. (c) D’Arcy laboratory

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