Unsere Ozeane: Kraft im Kampf gegen den Klimawandel
Wir leben und überleben auch womöglich dank der Meere, denn sie bereits ein Viertel der menschengemachten CO2-Emissionen absorbiert. Nun arbeiten Forscher und Start-ups daran, Milliarden zusätzliche Tonnen aus der Erdatmosphäre zu saugen – mittels Direct Ocean Capture.
Direct Ocean Capture macht sich ein Naturgesetz zunutze, dass 1801 der britische Forscher William Henry entdeckte: Enthält die Luft zu viel CO2, absorbiert Wasser die überschüssige Menge. Das kalifornische Start-up Captura, eine Ausgründung des California Institutes of Technology, hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem dieser natürliche Effekt beschleunigt werden kann:
- Zunächst wird Meerwasser angesaugt.
- Dann wird 0,5 % davon entsalzt, um Frischwasser und Salzlauge zu gewinnen.
- Die Salzlauge wird per Elektrolyse in einen sauren und einen basischen Teil gespalten.
- Der saure Lösung wird in das restliche Meerwasser gegeben: Der pH-Wert sinkt, bereits gebundenes CO2 wird freigesetzt, was dann zu 90 bis 95 % abgesaugt und weiterverarbeitet werden kann.
- Das nun basische Meerwasser wird zurück in den Ozean geleitet. Um seinen ursprünglichen pH-Wert wiederherzustellen, saugt es die zuvor entnommene Menge sauren CO2 aus der Luft. Dies kann zwei Wochen bis maximal ein Jahr dauern.
Auch wenn der Schwerpunkt unserer Anstrengungen gegen den Klimawandel auf der Verringerung der Emissionen liegt, müssen wir laut dem UN-Organ Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre entfernen, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Entsprechend wichtig ist die Entwicklung innovativer Technologien, die das ermöglichen. Ein weiteres, schon bekannteres Verfahren ist Direct Air Capture, bei dem CO2 direkt aus der Luft gefiltert wird. Hohe Kosten und ein großer Energieverbrauch vereiteln bisher den Einsatz im großen Stil. Direct Ocean Capture scheint eine vielversprechende, kosteneffizientere Alternative zu sein: Indem es sich eines natürlichen Prozesses bedient, benötigt es etwa 75 % weniger Energie, um dieselbe Menge CO2 zu extrahieren. Das nachfolgende Video beleuchtet nicht nur das Verfahren, sondern auch mögliche Nebenprodukte und -effekte:
Eindrucksvoll erklärt: „Ocean carbon dioxid removal via electrochemestry“
Wohin mit dem gefischten CO2?
Kohlendioxid spielt trotz seiner negativen Auswirkungen auf das Klima als Treibhausgas eine wesentliche Rolle in verschiedenen natürlichen und industriellen Prozessen:
Photosynthese: CO2 ist ein Baustein der Photosynthese, dem Prozess, durch den Pflanzen, Algen und einige Mikroorganismen Sonnenlicht nutzen, um aus CO2 und Wasser, Zucker und Sauerstoff zu produzieren. In diesem Prozess wird nicht nur atmosphärischer Sauerstoff produziert, sondern auch die primäre Energiequelle für die Nahrungskette bereitgestellt.
Pflanzenwachstum: Höhere CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre können das Wachstum von einigen Pflanzenarten beschleunigen, was in der Landwirtschaft und in Gewächshäusern zur Steigerung der Produktivität genutzt wird.
Getränkeindustrie: Ohne CO2 kein Zisch in Bier, Limonaden oder Mineralwässern.
Kühlung und Feuerbekämpfung: In Form von Trockeneis wird CO2 besonders beim Transport temperaturempfindlicher Produkte genutzt. Es wird in Feuerlöschern eingesetzt, da es den Sauerstoff verdrängt und das Feuer erstickt.
In der Medizin: Kohlendioxid wird in der Bildgebung, bei minimalinvasiven chirurgischen Eingriffen und der Therapie von Hauterkrankungen eingesetzt.
Industrielle Anwendungen: CO2 dient der chemischen Industrie als Rohstoff bei der Herstellung von Harnstoff und in der Metallindustrie als Schutzgas beim Schweißen.
Ölgewinnung: CO2 wird in die Ölfelder gepumpt, um die Förderung zu verbessern, indem die Viskosität des Öls verringert und den Druck im Reservoir erhöht.
Klimaregulierung: CO2 trägt zur natürlichen Regulierung der Erdtemperatur bei, denn es ist ein wesentlicher Bestandteil des Treibhauseffekts, der die Erde warm genug hält, um Leben zu unterstützen. Hier ist es der vom Menschen verursachte Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, der zu globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel führt.
Da der Kohlenstoff, den wir brauchen, künftig nicht aus Kohle, Öl oder Gas stammen darf, ist der Kohlenstoff aus Meer oder der Luft ein idealer Ersatz.
Die erste Testanlage läuft bereits seit einigen Monaten im kalifornischen Newport Beach – mit sehr guten Ergebnissen. Weitere sollen noch 2024 an den Start gehen. Kommerzielle Anlagen könnten zum Beispiel an die bereits weltweit im Einsatz befindlichen Meerwasserentsalzungsanlagen gekoppelt werden. Auch ist denkbar, Anlagen auf ausgedienten Bohrinseln zu bauen, die extrahiertes CO2 in leeren Öl- und Gasfeldern einlagern.
Auch wenn die Forscher gemäß Henrys Naturgesetz davon ausgehen, dass die Meere die entzogene Menge Treibhausgas wieder vollständig aus der Luft ziehen müssen – den Beweis haben sie noch nicht erbracht, da die Wassermassen der Weltmeere Messungen unmöglich machen. Doch genau in diesen Massen liegt auch die Chance, das Klima mittels Direct Ocean Capture wirksam zu entlasten. Zudem könnte das Verfahren in veränderter Form noch einen anderen Stoff liefern: Kalziumkarbonat, ein Bestandteil von Zement. Um diesen zu gewinnen, muss bisher fossiler Kalkstein gebrannt werden, wobei sehr viel CO2 entsteht. Ein weiterer Grund, die Entwicklung von Direct Ocean Capture im Auge zu behalten.
Neugierig auf mehr? Künstliche Blätter, Bäume und Wolken sind weitere Methoden, über die wir hier berichten: Kampf dem Klimawandel: So wollen Forscher CO2 aus der Luft holen.