Natürliche Upcycler: Bakterien putzen Klimasünden aus
Ob Methan aus Gewässern, der Öl- und Gasgewinnung oder Rinderzucht – winzige Mikroben machen sich über Klimasünden her. Wissenschaftlicher weltweit arbeiten daran, diese natürlichen Verwerter in großem Maßstab nutzbar zu machen. Sind sie der Schlüssel zu einer saubereren Zukunft?
Forschende des Max-Plank-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen und der Eawag, dem führenden Schweizer Forschungsinstitut für Wasserforschung, haben eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Methanotrophe Bakterien verhindern die Freisetzung von klimaschädlichem Methan aus Gewässern effektiver als bisher angenommen! Sie nutzen aufsteigendes Methan für ihr Wachstum und ihre Energiegewinnung, wandeln es dabei in weniger klimaschädliches CO2 und bauen den Kohlenstoff (C) teilweise direkt in ihre Zellen ein. Bestimmte Gruppen dieser Methanotrophen tun das sogar auch in sauerstofffreien Umgebungen.
Methan befeuert den Klimawandel 85-mal stärker als CO2
Methan ist ein starkes Treibhausgas, das etwa für ein Drittel des aktuellen globalen Temperaturanstiegs verantwortlich ist. Es besitzt über die ersten 20 Jahre nach seiner Freisetzung eine mehr als 85-mal stärkere Erwärmungswirkung als Kohlendioxid. In den letzten 15 Jahren sind die Methanwerte in der Atmosphäre rapide gestiegen und haben Rekordhöhen erreicht. Es wird bei der Gewinnung von Erdgas und Erdöl, in der Industrie, der Abfallwirtschaft, der Landnutzung und der Landwirtschaft freigesetzt. Aufgrund verschiedener natürlicher Prozesse und Umweltfaktoren entweicht es auch aus Gewässern. In sauerstoffarmen Umgebungen, besonders in Seesedimenten, produzieren Mikroorganismen Methan beim Abbau von organischem Material. Aber es wird auch in gut durchlüfteten oberen Wasserschichten gebildet. Je höher die Wassertemperatur, desto aktiver die Mikroben und desto größer die Methanproduktion. Übernutzte, nährstoffreiche Gewässer gelten als bedeutende Methanquellen. Selbst beim Austrocknen von Gewässern oder bei starken, durch Stürme verursachte Wasserverwirbelungen wird Methan freigesetzt.
Methanoxidation durch Bakterien ist die einzige bekannte biologische Methansenke
Bei genetischen Analysen haben die Forschenden festgestellt, dass methanfressende Bakterien Gene für eine spezielle methanbasierte Fermentation besitzen, welche bisher nur im Labor nachgewiesen wurde. Zudem wurden auch Gene für die Denitrifikation entdeckt, die es den Bakterien ermöglicht, Nitrat anstelle von Sauerstoff zur Energiegewinnung zu nutzen. Diese Anpassungsfähigkeit unterstreicht die Bedeutung von Methanotrophen für die Reduzierung von Methanemissionen in verschiedenen aquatischen Ökosystemen – zumal die Zahl der sauerstofffreien Seen in gemäßigten Regionen wie unserer voraussichtlich weiter zunehmen wird. Methanotrophe Organismen sind in verschiedenen Umgebungen zu finden, darunter Feuchtgebiete, Böden, Ozeane und sogar im Verdauungssystem einiger Tiere.
Methanabbau in der Luft: ein weiterer Hoffnungsträger
Neben Methan aus Gewässern gibt es noch eine andere Herausforderung: Methan in der Luft. Forschende der University of Washington haben einen vielversprechenden Bakterienstamm entdeckt, der Methan direkt aus der Atmosphäre entfernen kann. Methylotuvimicrobium buryatense 5GB1C wächst selbst bei niedrigen Methankonzentrationen von nur 200 ppm (parts per million) – ein großer Vorteil, da der Methangehalt in der Atmosphäre nur bei etwa 1,9 ppm liegt. An Methan-Hotspots wie Mülldeponien, Öl- und Gasbohrstellen, Kohleminen oder Kläranlagen, wo die Werte zwischen 100 und 5000 ppm liegen, könnte dieser Bakterienstamm jedoch effektiv eingesetzt werden.
Die Vision: ein modulares, skalierbares Bioreaktorsystem in Containergröße
Das Konzept basiert auf einem geschlossenen, modularen System: Methanhaltige Luft wird in eine Bioreaktoreinheit geleitet, in der sich methanotrophe Bakterien befinden. Diese oxidieren das Methan, setzen dabei nur einen Teil als CO2 frei und wandeln den Rest in Biomasse um. Diese kann wiederum als nachhaltige Proteinquelle genutzt werden, zum Beispiel als Fischfutter in in der Aquakultur. Damit diese Methode skalierbar wird, arbeiten die Forschenden an der Verbesserung der Bakterien selbst, am sogenannten Packbed-Bioreaktor als Nährboden sowie an einem Dünnfilm-Bioreaktor zur Verbesserung der Methanzufuhr. Parallel laufen eine Techno-Ökonomie-Analyse und eine Lebenszyklusbewertung, um Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu bewerten.
Erste Berechnungen zeigen, dass durch den großflächigen Einsatz dieser Technologie bis 2050 bis zu 240 Millionen Tonnen Methan aus der Atmosphäre eliminiert werden könnten. Würden bis dahin 1 Milliarde Tonnen Methan aus der Atmosphäre entfernt werden, könnte der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 0,21–0,22 Grad Celsius verringert werden.
Herausforderungen und Chancen
Der große Knackpunkt bleibt die Skalierung: Um die Technologie wirtschaftlich nutzbar zu machen, müssen Methan-Bioreaktoren im großen Maßstab kosteneffizient und wartungsarm betrieben werden können. Ein weiteres Problem ist die öffentliche Akzeptanz – denn neue Umwelttechnologien müssen nicht nur wirksam, sondern auch politisch und gesellschaftlich gewollt sein.
In den nächsten zwei bis drei Jahren sollen erste Feldversuche starten. Sollte sich die Technologie bewähren und die industrielle Umsetzung gelingen, könnte sie zu einem zentralen Baustein im Kampf gegen den Klimawandel werden. Noch sind viele Fragen offen – doch das Potenzial ist groß.