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Dematerialisierung: Weniger ist mehr – Klimaschutz

 

„Bildet Fahrgemeinschaften“, „verzichtet auf ein eigenes Auto“, „beansprucht weniger Wohnfläche“: Appelle wie diese sind uns allen bekannt. Doch befolgen wir sie auch? Wir sollten es, denn im Zusammenspiel mit weiteren, vergleichsweise einfachen Maßnahmen können wir unsere Treibhausgasemissionen um ein bis zwei Drittel senken – ohne auf technologische Durchbrüche warten zu müssen.

Zu diesen Ergebnissen sind die Forscher um Prof. Edgar Hertwich von der „Norwegian University of Science and Technology“ und Prof. Stefan Pauliuk von der Universität Freiburg gelangt, die die Effekte folgender Maßnahmen analysiert haben:

  • Regelmäßig und spontan Fahrgemeinschaften bilden
  • Carsharing-Dienste oder Mietautos statt eines eigenen Autos nutzen
  • Generell kleinere Autos bauen
  • Weniger Wohnfläche pro Kopf beanspruchen
  • Mehrfamilienhäuser statt Einfamilienhäuser bauen
  • Mehr Holz anstelle von Beton und Stahl als Baumaterial verwenden
  • Bauelemente und Material verstärkt mehrfach nutzen und recyceln
  • Längerlebige Produkte herstellen, sofern sie emissionssparsam sind
  • Produktionsausschuss und -abfall verringern
  • Generell leichtere Produkte herstellen

Was haben diese Maßnahmen gemeinsam? Sie zielen darauf ab, die in den Bereichen Wohnen und privater Transport genutzten Ressourcen effizienter sowie bereits hergestellte Materialien mehrfach zu nutzen. Allein der Bausektor ist für 40 % unserer materialbedingten CO2-Emissionen verantwortlich, wobei der Bau von Wohngebäuden am meisten Material und Energie verbraucht. Weitere 40 % der materialbedingten CO2-Emissionen entfallen auf die Herstellung unserer Autos.

Hättet Ihr gedacht, dass wir Verbraucher die wirksamsten Hebel zur Emissionsreduzierung in der Hand haben?

Beim Transport sind dies Mitfahrgelegenheiten und Fahrgemeinschaften, die sowohl die Zahl der Fahrzeuge als auch die gefahrenen Strecken reduzieren. Carsharing verkleinert den Fahrzeugbestand ebenfalls. Ein weiterer wirksamer Hebel ist die Entscheidung für kleinere und leichtere Fahrzeuge. Carsharing würde uns diese Entscheidung erleichtern, da wir das jeweils zu unserer Strecke passende Auto mieten können und nicht mehr den (größeren) „Allrounder“ vor der Haustüre stehen haben müssten. Was außerdem für den Wandel unserer Fortbewegung spricht, erfahrt Ihr in den Posts „Zürich: Grüne Grandezza zu Fuße der Alpen“ und „CO2-Fußabdruck: Eine Nummer kleiner, bitte“.

Beim Wohnen: Laut Statistik hat die Wohnfläche pro Kopf in Deutschland zwischen 2009 und 2021 von 42,5 m² auf 47,7 m² zugenommen (Quelle: Statista). Würden wir diese Entwicklung umkehren und uns wieder verkleinern, bräuchten wir nicht nur weniger Baumaterial, sondern auch weniger Energie zum Heizen und Kühlen unserer vier Wände. Eine Forderung, die auch vor dem Hintergrund unseres enormen Flächenverbrauchs zuletzt verstärkt gestellt wurde, ist der Verzicht auf neue Einfamilienhäuser im Grünen zugunsten einer dichteren Besiedelung des städtischen Raums: „Auf ins Mehrfamilienhaus“ lautet die Lösung. Positiver Nebeneffekt: In der Stadt fällt es uns leichter auf Bus und Bahn umzusteigen als auf dem Land, wo nur alle Stunde ein Bus an der Dorfkirche hält.

Ein weiterer mächtiger Hebel für mehr Klimaschutz ist die Verwendung von Holz anstelle von Beton und Mauerwerk. Holz bindet nicht nur Kohlenstoff als Bestandteil von CO2, sondern verursacht auch deutlich geringere Emissionen. Mehr dazu in unseren Post „Astreines Baumaterial: Holz, der natürliche CO2-Killer“. Doch wächst Holz so schnell nach, wie wir es künftig womöglich verbauen? Die Studie bestätigt: Ja! Wenn wir Holzgebäude mit kleinerer Nutzfläche bauen.

Fazit der Studie: Durch die Herstellung von kleineren und leichteren Produkten bei gleichzeitig intensiverer Materialnutzung und vergleichsweise moderat verändertem Verbraucherverhalten lassen sich die Emissionen um ein bis zwei Drittel senken – abhängig davon, ob das 2-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen oder nicht. (Denn wir können weniger einsparen, wenn wir künftig mehr saubere Energie nutzen, als wenn wir die aktuellen klimapolitischen Maßnahmen einfach nur fortsetzen.) Zudem würde die aktuelle primäre Stahlnachfrage auf ein Sechstel, die Zementnachfrage auf ein Viertel und die Kupfernachfrage auf die Hälfte sinken, da sie größtenteils durch recycelte Materialien ersetzt und zugleich die Gesamtnachfrage nach neuen Produkten und Materialien sinken würden. Das Beste: Diese Einsparungen sind zum Greifen nahe, da sie laut der Forscher keine weiteren technologischen Durchbrüche erfordern, sondern nur unseren politischen und zivilen Willen. Packen wir es an, oder?

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