Hanf im Glück: Nachhaltig zum Traumhaus
Man nehme Hanfschäben und Kalk, rühre die Mischung mit Wasser an – fertig ist ein berauschender Baustoff: klimaschützend, ressourcenschonend und recyclebar. Obendrein sorgt Hanfkalk für ein behagliches und wohngesundes Ambiente.
Hanf und Kalk sind Jahrtausende alte, natürliche Materialien, die im Verbund auch in Deutschland immer mehr Anhänger finden. Gerade Bauherren, die klima- und umweltschonend bauen möchten oder besonderen Wert auf ein natürlich reguliertes und wohngesundes Raumklima legen, ziehen Hanfkalk in Betracht: Mit dem schadstofffreien Baustoff lassen sich Wände bauen, Estriche herstellen sowie Dächer und Innenwände dämmen – sogar in Eigenleistung.
Hanfkalk – Bau- und Dämmstoff in einem
Hanfkalk wird aus Hanfschäben hergestellt, den ca. ein bis drei Zentimeter langen Stücken aus den holzigen Stängeln des Nutzhanfes. Hinzu kommen Naturkalk als Bindemittel und Wasser. Das in den Schäben enthaltende Silizium verbindet sich mit dem Magnesit des Kalks und führt zu einer Karbonatisierung: Das Material versteinert und ist über Generationen haltbar. Hanfkalk besitzt eine poröse Struktur. Daher benötigen größere Gebäude ein lastabtragendes Holzständerwerk oder Ähnliches. Ist das erstellt, bietet Hanfkalk auch in diesem Anwendungsbereich überzeugende Vorteile:
- CO2-negativ – Hanfkalk speichert ca. 90 Prozent mehr Kohlenstoff als Bestandteil von CO2, als bei seiner Herstellung emittiert wird. Wie dies prinzipiell funktioniert, erläutern wir im Post „Astreines Baumaterial: Holz, der natürliche CO2-Killer“.
- Recyclebar – Hanfkalk kann am Ende der Nutzungsdauer zerbröselt, erneut mit Wasser angegossen und wiederverwendet werden
- Gut für Mensch und Umwelt – Hanfkalk ist frei von Schad- und Giftstoffen und vollständig biologisch abbaubar
- Sehr guter Wärmeschutz – vergleichbar mit einem modernen, dämmstoffgefüllten Mauerwerksziegel
- Gutes Raumklima – Hanfkalk ist diffusionsoffen und kann zudem Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben
- Nicht brennbar & resistent gegen Schimmel und Ungeziefer – dank des mineralischen und antibakteriellen Bindemittels Kalk, das die pflanzlichen Hanfschäben komplett umhüllt
Häuser vom Acker
Doch es gibt noch einen weiteren Grund, mit Hanfkalk zu bauen: Je größer die Nachfrage, desto größer die Chance, dass wieder mehr Nutzhanf angebaut wird. Ein Einfamilienhaus „wächst“ je nach Ertrag auf einem halben bis ganzen Hektar Anbaufläche – Jahr für Jahr –, ohne zwingend Hauptfrüchte zu verdrängen. 2022 betrug die Anbaufläche in Deutschland knapp 7.000 Hektar, was Hanf zu einer Nischenkultur macht. Die Hälfte davon wird ökologisch angebaut; bei Weizen liegt der Öko-Anteil bei nur drei Prozent.
Hanf – Kulturpflanze mit bewegter Geschichte
Hanf gehört zu den ältesten und wertvollsten Kulturpflanzen. Die Perser und Chinesen nutzen sie bereits vor 12.000 Jahren als Rohstoffquelle für Öl, Heilmittel, Textilien oder Papier. Die Römer führten Kriege wegen Hanf. Ab den 1930er Jahren wurde die Pflanze von unseren Äckern verdrängt; später auch vorrübergehend auch verboten, weil sich aus den THC-reichen Sorten Cannabis herstellen lässt. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich der Anbau von THC-armem Nutzhanf jedoch verdoppelt:
- Umkehr der Folgen von intensiver Landwirtschaft – Hanf verbessert die Bodenqualität
- Anspruchslos – Hanf wächst auf vielen Böden, bei jedem Klima, ohne Pestizide, fast ohne Pflege und kann in 100 Tagen vier Meter hoch werden
- Ertragreich – Hanf liefert vier- bis fünfmal mehr Papier als Holz und drei- bis viermal mehr Textilfasern als Baumwolle bei gleicher Anbaufläche
- Nahrhaft – Hanf enthält hochwertige Proteine, was ihn zu einem Grundnahrungsmittel im Kampf gegen den Hunger in der Welt macht
- Klimafreundlich – Ein Hektar Hanf nimmt jährlich acht bis 22 Tonnen CO2 auf – mehr als jeder Wald
Neues aus Forschung & Entwicklung: Ökozement aus Abraum- und Abfallstoffen
Beton hat viele Vorteile. Er ist formbar, stabil und weltweit vorhanden. Das Problem: Er besteht aber auch zu einem Fünftel aus Zement, bei dessen Herstellung Klinkerstein bei 1.450 °C entsäuert wird. Dabei wird sehr viel CO2 emittiert und sehr viel Prozessenergie benötigt.
In dem EU-geförderten Projekt CO2REDRES entwickeln Forscher Verfahren, die es den Projektpartnern in der Grenzregion von Deutschland, Luxemburg, Frankreich und Belgien ermöglichen, den Zement im Beton durch emissionsarme Abraum- und Abfallstoffe der lokal ansässigen Industrie- und Bergbauunternehmen zu ersetzen. Dazu zählen Schlämme, die beim Kies- und Sandabbau anfallen, Stäube aus der Gewinnung von Quarzit sowie Rückstände aus dem Kalk- und Dolomit-Abbau.
Bislang konnten elf vielversprechende Materialien identifiziert und in neu entwickelten Rezepturen zu Ökozement verarbeitet werden. Dieser verursacht nicht nur weniger CO2-Emissionen, sondern auch geringere Produktionskosten. Hinzu kommt: Die verwendeten Abraum- und Abfallstoffe sind ausreichend verfügbar, müssen nicht mehr aufwendig deponiert und können stattdessen im Sinne der Kreislaufwirtschaft erneut genutzt werden. Eine Win-Win-Situation für Wirtschaft und Umwelt.
Ein ähnliches Ziel, aber einen anderen Ansatz verfolgen Forscher der TU Berlin, die in ihrem Projekt „Mind the Fungi“ Baustoffe aus Pilzen entwickeln.