Ökodorf
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So lebt es sich im Ökodorf

 

Deutschlands größtes Ökodorf Sieben Linden wurde 1997 von einer Handvoll Menschen gegründet, mitten in der Altmark, rund 100 Kilometer von Magdeburg entfernt. Inzwischen wohnen hier 145 Erwachsene und Kinder. Sie alle verbindet eins: Der Wunsch nach einem nachhaltigen Lebensstil.

Knapp ein Dutzend Wohngebäude, ein paar Bauwagen, zahlreiche Obst und Gemüsegärten, und ein großes Waldstück – im Dorf Sieben Linden ist einiges anders als in den umliegenden Ortschaften. Ackerland wird mithilfe von Pferden bewirtschaftet, gekocht wird in einer großen Gemeinschaftsküche und der Nachwuchs spielt auf der autofreien Dorfstraße.

Eine Idee nimmt ihren Lauf

MähdrescherDie Idee vom nachhaltigen Dorf entwickelte sich schon 1989. Acht Jahre später kaufte eine Kerngruppe von Interessenten das Gelände in der Altmark und begann mit dem ökologischen Bau. Als erstes entstand aus einem altem Bauernhof das Gemeinschaftsgebäude, das heute den Mittelpunkt des Dorflebens bildet. In den folgenden Jahren entstand wichtige Infrastruktur wie Wege, Brunnen, und Stromleitungen und ein fruchtbares Gartenland. Auf den acht Hektar Bauland werden noch immer Wohnhäuser, Gästeräumlichkeiten und Gewerbegebäude gebaut. Derzeit gibt es in Sieben Linden elf Mehrfamilienhäuser, das Regional- und Seminarzentrum, das Meditationshaus und weitere kleinere Gebäude wie einen Pferdestall. Eines Tages soll im Dorf Platz für 300 Menschen sein – bis dahin ist noch einiges zu tun.

Gemeinschaft und Leben

Land und Infrastruktur des Ökodorfes gehören allen Bewohnern in Form einer Genossenschaft. Für ihre Lebensfinanzierung sind sie selbst verantwortlich. Viele arbeiten vor Ort – zum Beispiel als Gärtner, Handwerker oder im kleinen Bioladen, andere gehen außerhalb ihrem Beruf nach. Ein wesentlicher Pfeiler der Dorfwirtschaft ist die Konzentration auf lokale Kreisläufe. Alle Bewohner lassen möglichst viel Geld im eigenen Dorf und stärken so die interne Ökonomie. Das übergeordnete Ziel der Gemeinschaft ist die Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks. Dabei sind sie auf einem guten Weg, zeigt eine Studie der Universität Kassel: Der Beitrag zum Treibhauseffekt ist bei den Bewohnern im Durchschnitt um zwei Drittel niedriger als beim deutschen Durchschnittsbürger.

Häuser aus dem Kornfeld

HolzhausGründe dafür gibt es viele. Die Bewohner ernähren sich vorwiegend von Selbstangebautem oder Lebensmitteln aus der Region. Viele verzichten auf Fleisch und Milchprodukte. Zudem werden Gebrauchsgegenstände wie zum Beispiel Autos und Waschmaschinen gemeinschaftlich genutzt. Am meisten trägt jedoch der Hausbau zur Nachhaltigkeit bei. In Sieben Linden wird hauptsächlich Material aus der Region verwendet: Stroh, Holz und Lehm. Dafür wurde eine traditionelle Bauweise aus den USA importiert: der Strohballenbau. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wandten Siedler in holzarmen Landstrichen Nebraskas diese Methode an. In der Zeit zwischen 1940 und 1980 geriet sie in Vergessenheit. Mitte der Achtzigerjahre wurde sie wieder entdeckt und gewinnt seitdem weltweit an Bedeutung.

Vorreiter in Europa

Stroh ist ein nachwachsender Rohstoff und eignet sich optimal zum Bauen. Er wächst regional, bindet Kohlendioxid und ist zudem ein guter Dämmstoff, der bei der Herstellung nur einen Bruchteil der Energie benötigt, die herkömmliche Materialien wie Mineralwolle und Styropor verschlingen. Ein weiterer Vorteil: In Verbindung mit Lehmputz sorgt Stroh für ein besonders gesundes und angenehmes Raumklima. So muss im Winter weniger geheizt werden und bei Sommerhitze wird es nicht stickig. Die Bewohner von Sieben Linden haben den traditionellen Strohballenbau in den vergangenen Jahren in Zusammenarbeit mit externen Architekten und Handwerkern weiterentwickelt. Inzwischen setzen sie die moderne Ständerbauweise ein: Dabei werden die Strohballen zunächst in genau passende Holzrahmen gepresst, dann Vertiefungen für diagonale Streben eingefräst und anschließend alles mit Lehm verputzt. Sieben Linden hat nicht nur europaweit die höchste Dichte an Strohballenhäusern, sondern besitzt auch das erste dreistöckige Wohnhaus, das in Europa auf diese Weise erbaut wurde.

Vom Dorf in die Welt

Parallel zur wachsenden Dorfgemeinschaft entstand auf dem Gelände ein Bildungszentrum, in dem heute zahlreiche Seminare zu unterschiedlichsten Themen stattfinden. Hier geben auch die Experten in Sachen Strohballenbau ihr ökologisches Wissen weiter – an Handwerker und Privatleute. Denn inzwischen gibt es immer mehr Menschen, die sich für nachhaltiges Bauen interessieren. Auch in Sieben Linden wird es künftig noch genug zu tun geben: Das nächste Haus ist bereits in Planung und wird sicher nicht das letzte sein. Wer Interesse am Ökodorf hat und vielleicht sogar zuziehen möchte, kann den Bewohnern in Kennlernseminaren, Sommercamps und ähnlichen Angeboten begegnen.

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Ein Kommentar

Gisela Engelhardt

Der Klimawandel war im letzten Jahrhundert auch kein brisantes Thema.
Unbedingt zu klären ist, wieso die Tageshöchsttemparaturen nicht mehr mittags sind, sondern am Abend !!!

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