Foto von Digital Buggu von Pexels

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Ökologische Textilien: Mode aus Ananas, Alge & Co.

 

Man glaubt es kaum, aber die Modebranche ist der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt. Lediglich die Ölindustrie verursacht mehr Umweltschäden. Glücklicherweise entstehen auch in der Textilbranche neue und nachhaltigere Konzepte: Kleidung aus natürlichen Rohstoffen wie Ananas oder Algen. Manches davon ist theoretisch sogar essbar.

Ein Großteil unserer Kleidung besteht heutzutage aus synthetischen, also künstlichen Fasern. Acryl und Nylon haben in den letzten Jahren einen enormen Aufstieg erfahren. Sie sind billig und damit für Fast Fashion, also sich schnell ändernde Modetrends, bestens geeignet. 2016 wurden weltweit 64,8 Mio. Tonnen synthetische Chemiefasern produziert. Den Preis für diese günstigen Textilien zahlt die Umwelt, denn ein nicht unerheblicher Teil der Plastikfasern gelangt über die Waschmaschine in unser Abwasser. Die kleinen Partikel können Kläranlagen nicht herausfiltern. Damit landen sie in unseren natürlichen Gewässern und belasten dort Pflanz- und Tierwelt. Darüber hinaus haben sich mit dem Trend zur Fast Fashion in der konventionellen Textilbranche an vielen Stellen unethische Geschäftspraktiken durchgesetzt: Kinderarbeit, Monokultur, Gentechnik und prekäre Arbeitsbedingungen sind eher die Regel als die Ausnahme.

Slow Fashion geht neue Wege

Einen Gegentrend setzen die Produzenten von Textilien aus ungewöhnlichen Rohstoffen. Sie verstehen sich als die sogenannte Slow Fashion: Sie wollen den Konsum wieder verlangsamen, setzen auf Qualität und eine lange Lebensdauer. Neben der nachhaltigen und fairen Herstellung punkten ihre Produkte mit einer hohen Hautverträglichkeit und so manchem Pflege-Plus.

QMILK: Seidige Fasern aus Milch

Photo by Olga Kozachenko on Unsplash

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Ein gutes Beispiel ist QMilk. Für diesen Stoff wird aus der Milch das darin enthaltene Protein Kasein gewonnen. Für gewöhnlich wird daraus Käse gemacht, nun wird es zusammen mit anderen natürlichen Rohstoffen zu einer glänzenden Milchfaser verarbeitet.

Ganz so neu ist das nicht: Erste Experimente mit dem Milchprotein gab es schon in den 1930er-Jahren. Die Idee scheiterte seinerzeit an den unwirtschaftlichen Produktionsbedingungen und den vielen Chemikalien, die damals noch für die Produktion benötigt wurden. Einen neuen Versuch wagte Anke Domaske. Sie suchte nach einer alternativen Textilfaser für ihren Stiefvater, dessen Haut durch eine Krebserkrankung hochsensibel geworden war. Nach zwei experimentierfreudigen Jahren hatte sie einen Weg gefunden, Milchfasern rein natürlich zu produzieren. QMilk war erfunden

Die Vorteile von QMilk liegen auf der Hand: Während ein Kilo Baumwolle in der Herstellung bis zu 25.000 Liter Wasser verbraucht, kommt die Milchfaser gerade mal auf zwei Liter pro Kilo. Für die Milchfaser wird keine trinkbare Milch verwendet, sondern lediglich Abfallprodukte aus der Milchwirtschaft. Davon gibt es allein in Deutschland jedes Jahr fast 2 Millionen Tonnen. Die fertige Milchfaser erinnert ein wenig an Seide, ist aber noch leichter, reißfest und kann bei 40 bis 60 °C in der Waschmaschine gewaschen werden. Die enthaltenen Aminosäuren sollen laut Hersteller die Haut pflegen und die Hauterneuerungsprozesse fördern. Dazu wirke QMilk temperaturregulierend und antibakteriell. Theoretisch ist die Kleidung sogar essbar.

Tencel: Bügelfreundliche Kleidung aus Holz

Deutlich bekannter als QMilk ist die Tencel™ Lyocellfaser, die aus Holzfasern hergestellt wird. Vorläufer war Viskose, für die auf Holzsplitter zurückgegriffen wurde. Allerdings benötigt die Viskose in der Produktion deutlich mehr Chemikalien und ist bei Weitem nicht so umweltschonend wie Lyocellfasern. Diese können schon heute mittels eines Kreislaufverfahrens produziert werden. Das Holz kommt in der Regel aus zertifizierten, nachhaltigen Forstbetrieben.

Die Textilfaser gilt als besonders haut- und allergikerfreundlich. Außerdem ist sie sehr flexibel in der Weiterverarbeitung, von Jeans über Strick bis hin zu Outdoor-Kleidung kann aus Tencel nahezu jedes Kleidungsstück genäht werden. Dazu sind die Textilien auch noch bügelfreundlich.

Eine Variante davon ist SeaCell™. Dabei handelt es sich um eine naturbasierte Lyocellfaser, die mit Algen angereichert wird. Die Algen werden isländischen Fjorden umweltschonend entnommen, getrocknet, gemahlen und in den Produktionsprozess eingebunden. Die in der Alge enthaltenen Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente sollen die Hautgesundheit positiv beeinflussen und sogar die Hautalterung verlangsamen.

Weiches Leder aus Ananas oder Trauben

Foto von Kafeel von Pexels

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Die Lederherstellung gilt als besonders umweltbelastend. Für die Verarbeitung von einem Kilogramm Roh-Tierhaut können bis zu 500 Gramm Chemikalien nötig werden. Dabei kann der giftige Stoff Chrom VI freigesetzt werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) findet in Stichproben immer wieder Chrom VI in Lederbekleidung und schätzt, dass etwa fünf Prozent der Lederprodukte mehr davon enthalten, als eigentlich erlaubt ist.

Allein aus diesem Grund ist Piñatex® eine attraktive Alternative. Die Idee dafür hatte Dr. Carmen Hijosa. Sie beriet einst die Lederwarenbranche auf den Philippinen und war schockiert von den Umweltschäden. Sie wollte eine nachhaltige Leder-Alternative auf der Basis von Pflanzenfasern finden.

Pinatex® wird aus Ananasblättern hergestellt. Davon entstehen weltweit an die 40.000 Tonnen als Abfallprodukt auf Ananasplantagen. Bereits auf der Plantage selbst kann aus dem Rohmaterial der Faserstoff produziert werden. Dieser geht dann nach Spanien, wo er gegerbt und zu Leder weiterverarbeitet wird. Dabei kann fast vollständig auf nicht-kreisläuffähige Chemikalien verzichtet werden. In der Verwendung ist Piñatex® ebenso flexibel wie natürliches Leder: Taschen, Sofas, Schuhe, Jacken, all das kann auch mit dieser veganen Alternative hergestellt werden.

Der Wermutstropfen ist, dass Piñatex® mit erdölbasiertem Harz versiegelt wird. Dadurch ist Piñatex® bislang nicht biologisch abbaubar. Das Team von Ananas Anam, Dr. Hijoas Firma, arbeitet aber bereits an Alternativen. Das Unternehmen erklärt zudem, seit 2019 als klimaneutral zu sein.

Wer die europäische Traube der tropischen Ananas vorzieht, kann auf das vegane Leder der italienischen Marke Vegea zurückgreifen. Das Rezept hinter diesem Weinleder sind Haut, Stiele und Samen von Trauben sowie ein bisschen Öl – alles Produktionsabfälle aus der Weinherstellung. Vegea hat in 2020 sogar bereits mit H&M kooperiert: Für die Conscious -Exclusive-Kollektion produzierte der schwedische Bekleidungsriese Taschen und Schuhe aus dem Traubenleder von Vegea.

Eine weitere Lederalternative ist Korkleder. Ausgangsstoff ist hierbei der Kork der Korkeiche. Der mittlere Teil der drei bis fünf Zentimeter dicken Korkschicht kann zum sogenannten Korkleder weiterverarbeitet werden. Der Prozess ist ökologisch und nachhaltig. Dabei bleibt die natürliche Maserung des Korks weiterhin sichtbar. Das Korkleder gibt es vielen verschiedenen Farben und Mustern. Es ist sehr weich und auf der Haut angenehm zu tragen.

Die Forschung nach ökologisch-verträglichen Materialien nimmt stetig zu. Es gibt Kleidung aus Myzelium, einer kompostierbaren Pilzwurzel, Kaffeesatz, Brennnessel-, Hanf- und Bananenfasern. In diesem Artikel haben wir euch nur einige spannende Beispiele vorgestellt. Viele dieser Fasern haben großes Potenzial, herkömmliche Textilien zu ersetzen und unsere Mode nachhaltiger zu gestalten. Welches Material würdet ihr gerne einmal ausprobieren? Habt ihr schon Erfahrungen mit alternativen Stofffasern? Schreibt uns in den Kommentaren, was ihr erlebt habt.

 

 

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