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Purpose Unternehmen: Wenn die Firma sich selbst gehört

 

Purpose-Unternehmer denken Wirtschaft anders. Ihre Firmen sollen den Beschäftigten und der Gesellschaft dienen, nicht dem Kapitalmarkt. Der Zweck des Unternehmens – englisch: purpose – steht im Zentrum, nicht der Profit. Doch so ein visionäres Unternehmen aufzubauen, ist in Deutschland überraschend schwierig.

Traditionell wollen Firmen Geld verdienen. Die meisten davon streben sogar danach, ihre Gewinne jedes Jahr zu maximieren. Da erscheint es recht ungewöhnlich, wenn erfolgreiche Unternehmer sich selbst enteignen. Aber genau das haben in den letzten Jahren einige Menschen getan, Christian Kroll zum Beispiel. Er ist der Gründer der Suchmaschine Ecosia. Seine Suchmaschine arbeitet sehr ähnlich wie die von Google oder Bing. Der große Unterschied: Ecosia nutzt alle Werbeeinnahmen, um damit Bäume zu pflanzen. Über 100 Millionen Bäume sind bereits zusammen gekommen.

Ecosia gehört sich selbst

Statt sein Unternehmen gewinnbringend zu verkaufen, hat Christian Kroll alle Anteile, die er selbst an Ecosia besaß, einer sogenannten Purpose-Stiftung übergeben. Damit gehört Ecosia nun sich selbst. Kroll ist zwar noch der Chef des Unternehmens, aber nicht mehr Eigentümer des Unternehmensvermögens. Die Firma kann nicht mehr verkauft oder vererbt werden. So konnte Kroll sicherstellen, dass sich Ecosia auch in Zukunft einzig und allein dem Zweck des Bäumepflanzens widmet.

Auch Michael Hetzer von Elobau entschloss sich zu diesem Schritt. Er hatte das Familienunternehmen, das auf Sensortechnik und Bedienelemente spezialisiert ist, vom Vater geerbt. Doch er war der Meinung, dass die mehr als tausend Beschäftigten gemeinsam am Unternehmenserfolg beteiligt seien. Er sah keinen Sinn darin, das Unternehmen alleine zu besitzen. Es dauerte allerdings sechs Jahre und kostete dazu eine halbe Million Euro, Elobau in eine Stiftung zu überführen.

Es fehlt ein passendes Konstrukt

Modernes GroßraumbüroDas Problem: Momentan ist eine Gesellschaft, die zwar unternehmerisch handelt, aber nicht gewinnorientiert ist, in diesem Sinne im deutschen Recht nicht vorgesehen. Es gibt zwar mit dem Verein, der gemeinnützigen GmbH und der Genossenschaft einige Möglichkeiten für Social Entrepreneurs, sie alle haben aber auch Nachteile. Für ein echtes Purpose-Unternehmen eignen sie sich nicht.

Die einzige Lösung ist momentan ein recht komplexes Konstrukt aus zwei Stiftungen, das sogenannte Doppelstiftungsmodell: Während eine der beiden Stiftungen gemeinnützige Zwecke verfolgt, dient die andere Stiftung der Versorgung einer bestimmten Familie. Aber dieses Modell rechnet sich nur für sehr große Unternehmen. Beispielsweise sind Zeiss, Alnatura oder Globus so organisiert, ebenso wie einige junge Start-ups wie eben Ecosia, Einhorn oder Wildplastic. Insgesamt gibt es fast 200 Unternehmen in Deutschland, die zusammen 1,2 Millionen Menschen beschäftigen.

Ein guter Zweck für die Ewigkeit

Genau an diesem Punkt setzt die Purpose Bewegung an: Sie setzt sich dafür ein, dass in Deutschland eine neue Unternehmensform geschaffen wird, mit der auch kleine und mittelständische Unternehmen ein Purpose-Unternehmen gründen können. Man nennt sie auch »Unternehmen in Verantwortungseigentum«. Sinn und Zweck solcher Unternehmen ist die unternehmerische Nachhaltigkeit, die auch für die Zukunft sichergestellt ist.

Dafür sind zwei Kern-Prinzipien notwendig:

1. Gewinne dienen dem Unternehmenszweck
Anders als bei klassischen Unternehmen dürfen die Gewinne nicht ausgeschüttet werden. Sie können lediglich ins Unternehmen reinvestiert werden. Auch der Aufbau von Rücklagen und Lohnerhöhungen sind möglich. Wichtig ist, dass die Gewinne im Unternehmen verbleiben, außer sie werden gespendet. Das nennt man im Fachjargon auch »Asset-Lock«.

2. Das Unternehmen gehört sich selbst
Ein Unternehmen in Verantwortungseigentum kann nicht verkauft werden. Alle Entscheidungen treffen diejenigen, die mit dem Unternehmen direkt verbunden sind. So kann es nicht passieren, dass ein Unternehmen zum Spekulationsobjekt wird (Shareholder Lock).

Da die Eigentümer des Unternehmens also nicht das Vermögen, sondern die Verantwortung für das Unternehmen halten, sind sie Verantwortungseigentümer, auch Treuhandeigentümer genannt. Die Kontrolle wird beizeiten an die nächste Generation übergeben, wobei das Vermögen im Unternehmen bleibt. In diesem Punkt ähnelt das Modell dem traditionellen Familienunternehmen, wobei keine Verwandtschaft für den Generationenwechsel bestehen muss.

Kommt eine neue GmbH?

Die Unterstützer der Purpose-Bewegung, allen voran die Stiftung Verantwortungseigentum, sehen in den beschriebenen Prinzipien eine moderne Form der sozialen Marktwirtschaft, in der Monopolisierung verhindert und Wettbewerb gefördert wird. Sie wünschen sich eine neue Variante der GmbH, die Eigenständigkeit und Werteorientierung in der Unternehmensverfassung verankert – und das unwiderruflich.

Dafür liegt bereits ein Gesetzesentwurf vor, der eine »Gesellschaft mbH mit gebundenem Vermögen« beschreibt. Entsprechend einer repräsentativen Studie von Allensbacher, die 2021 im Auftrag der Stiftung Verantwortungseigentum durchgeführt wurde, befürworten 72 Prozent der deutschen Familienunternehmen die Einführung einer neuen Rechtsform. 42 Prozent können sich sogar vorstellen, sie zu nutzen. Denn die neue GmbH könnte für viele Unternehmen auch die Nachfolgeproblematik lösen. Was haltet ihr von Purpose-Unternehmen?

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