Hallig Hooge
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So lebt es sich auf einer Hallig

 

Im Spätsommer lassen die Touristenströme auf der Hallig Hooge im Nordfriesischen Wattenmeer nach. Doch langweilig wird es den Bewohnern auch dann nicht. Denn eines ist sicher: Land unter kommt.

Noch spendet die spätsommerliche Sonne etwas Wärme, einige der letzten Tagesgäste der Saison fahren mit Leihfahrrädern über die schmalen Wege der Hallig. Doch schon bald steht das saftig grüne Gras, wo jetzt noch Schafe und Kühe weiden, unter Wasser. Dann heißt es “Land unter” auf der zweitgrößten Hallig im Nordfriesischen Wattenmeer. Die einzigen Orte, die dann wie kleine Inseln aus der See herausragen werden, sind die zehn künstlich aufgeschütteten Hügel, die sogenannten Warften. Denn dass das Wasser kommt, ist in etwa so sicher wie die Fährzeiten. Auch nach ihnen richtet sich das Leben der rund 100 Hooger.

Immer gut vorbereitet: Bis zu zehnmal wird die Hallig überschwemmt

Immer gut vorbereitet: Bis zu zehnmal wird die Hallig überschwemmt

Eigener Mikrokosmos

buergermeister

Will mehr junge Menschen auf die Hallig locken: Bürgermeister Matthias Piepgras

„Wenn man am Mittwoch Zahnschmerzen bekommt, dann kann man erst am Donnerstag aufs Festland zum Zahnarzt fahren. In der Winterzeit gehen montags und mittwochs gar keine Fähren“, sagt Erco Lars Jacobsen, der bereits seit 19 Jahren auf Hooge lebt. Er arbeitet in der Verwaltung, unter anderem für den Bürgermeister Matthias Piepgras. Die beiden kennen sich seit Jahren, schätzen sich – sind aber auch Kollegen. „Wir müssen immer zwischen diesen Rollen wählen“, sagt Piepgras, der seit dem Jahr 2000 auf der Hallig lebt. Das sei die wohl größte Herausforderung für ihn. „Ich muss guten Freunden auch mal sagen: ‚Nein, du darfst hier dies und das nicht tun‘.“ So leben die Hooger in ihrem Mikrokosmos, in einem komplizierten Beziehungsgeflecht.

Eng mit der Naturverbunden

Dass es auf so engem Raum ein spezielles Miteinander fordert, weiß auch Krankenpfleger Thomas Frank, Neuling auf der Hallig. „Man muss einfach miteinander klarkommen, sonst kann man auch wieder gehen“, sagt der 57-Jährige. Frank wechselt sich mit einer weiteren Krankenpflegerin ab und lebt nur zwei Wochen im Monat auf der Hallig. Einen Arzt gibt es auf Hooge nicht. Doch etwa alle 14 Tage kommt einer für eine Sprechstunde vom Festland und bringt Medikamente mit. Bei schwerwiegenden Einsätzen fliegt der Rettungshubschrauber die Hallig an. Bis zu 100 Mal muss der Helikopter im Hochsommer anrücken – hauptsächlich für Touristen – für alles, vom gebrochenen Bein bis zum Herzinfarkt. Warum Frank sich für die Stelle an diesem abgeschiedenen Ort bewarb, kann er auf Anhieb beantworten: „Ornithologie ist mein Steckenpferd.“ Das Naturschutzgebiet Wattenmeer bietet Vogelbeobachtern eine Vielzahl an besonderen Arten.

Leitet eine kleine, engagierte Gemeinde: Pastor Martin Witte

Leitet eine kleine, engagierte Gemeinde: Pastor Martin Witte

Dass das so ist, dafür tut Hooge einiges: „Die Bewohner fühlen sich eng mit der Natur verbunden. Wir wirtschaften nachhaltig, denn jeder Schaden, der der Umwelt zufügt wird, den sehen wir hier sofort. Der Plastikmüll oder das Öl in der Nordsee sind Dinge, die uns bedrohen“, sagt Piepgras. In der Schutzstation Wattenmeer werden Gäste beispielsweise über die Idee der Nachhaltigkeit informiert und zu einem aktiven Handeln angeregt. Und nach dem Gottesdienst auf der Kirchwarft verkaufen Freiwillige Fair-Trade-Produkte. „Das ist ein Zeichen der Hoffnung auf eine gerechtere Welt“, sagt Pastor Martin Witte.

Unberechenbares Wasser

Vorausschauend: Durch das Projekt „Hallig 2050” sollen die Bewohner und ihre Häuser noch besser vor den Fluten geschützt werden

Vorausschauend: Durch das Projekt „Hallig 2050” sollen die Bewohner und ihre Häuser noch besser vor den Fluten geschützt werden

Im Winter sind die Hooger besonders gefordert.  Denn dann müssen sich die Hooger zusätzlich auf „Land unter“ vorbereiten. Rund fünf bis zehnmal pro Saison wird die Hallig überschwemmt. „Die erste Sturmflut macht immer am meisten Arbeit“, sagt Jacobsen und zeigt auf die Wiesen, wo normalerweise seine Schafe stehen. Die überwintern bei einem Bauern auf dem Festland – wie fast alle Schafe und Kühe. Die Zäune muss er bei drohender Sturmflut trotzdem abnehmen. Denn alles, was nicht fest ist, reißt das Wasser fort. Für Hooger ist das Alltag.

Sturmfluten wie „Xaver“ im Jahr 2013 waren auch für Alteingesessene etwas Besonderes. „Xaver hat uns aufgeweckt“, sagt Piepgras. Angekündigt waren 3,50 Meter über normal, ab einem Stand von 3,20 Metern kommt Wasser in Häuser. Zwar stieg es nur auf 2,60 Meter, es kam aber mit einer aggressiven Welle. Wenige Zentimeter weiter und viele Häuser wären unterspült gewesen. Wenn eine Sturmflut kommt, gibt es keine andere Möglichkeit als warten – und sich beschäftigen. „Bei Xaver habe ich alle Möbel in den ersten Stock geräumt“, erzählt Jacobsen. „Wir wussten ja nicht genau, wie hoch das Wasser wirklich steigt. Und dann habe ich die Wohnung geputzt. Irgendetwas gibt es ja immer zu tun.“ Das ist typisch für die Hooger: Denn ruhig mag es auf einer Hallig sein, aber ganz bestimmt nicht langweilig.

Hallig Hooge im Überblick

  • 5,78 km2
  • rund 100 Einwohner, 10 bewohnte Warften
  • 10 Straßen
  • 1 Pastor, 1 Lehrer, 1 Krankenpfleger (kein Arzt)
  • 1 Grund- und Hauptschule
  • ca. 90.000 Tagesbesucher / Jahr
  • Tourismus: 450 Einzelbetten, 250 davon in Privatunterkünften, 150 Gruppenlager/ Jugendherbergen
  • Circa 300 Stück Pensionsvieh werden im Mai mit dem Transporter per Fähre auf die Hallig gebracht; ab Oktober muss das Vieh wieder runter. Überwintern tun nur wenige Tiere.
  • Hallig Hooge ist nicht autofrei, aber Gästen wird empfohlen, das Auto zu Hause zu lassen.
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